AhlolBayt News Agency (ABNA)

source : IQNA
Donnerstag

28 November 2019

07:51:30
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„Das ist kein Ausbildungszentrum, sondern ein Foltergefängnis“

Der Uigure Ömer Bekali wurde acht Monate lang in einem „Ausbildungszentrum“ im chinesischen Xinjiang festgehalten und gefoltert. Eine Reportage.

Wie die Ahlulbayt Nachrichtenagentur ABNA berichtet, Bereits seit Jahren verstärkt sich Chinas repressive Politik gegenüber den in der Provinz Xinjiang lebenden Uiguren kontinuierlich. Doch erst seitdem behauptet wird, China betreibe riesige Gefangenenlager in der Region, richtet sich das Interesse der Weltöffentlichkeit auf Xinjiang. Die strenge Zensur in der Volksrepublik macht eine unabhängige Berichterstattung über die Lager nicht leicht. Augenzeugenberichte wie die von Ömer Bekali gibt es kaum. Acht Monate lang war der Uigure in einem der sogenannten „Ausbildungszentrum“ interniert, bevor ihm die Flucht ins Ausland gelang. Der zweifache Vater berichtet über seinen Werdegang und die Situation in Ostturkestan.

 

„Sie banden meine Füße und Hände mit Eisenketten an die Decke“

Ömer Bekali wurde in der Stadt Kashgar in Xinjiang geboren. Nach seinem Studium zog er 2006 aufgrund der zunehmenden Diskriminierung gegenüber der uigurischen Minderheit nach Kasachstan. Nach einer Ausbildung und Anstellung im Bereich Hotelmanagement arbeitete er – inzwischen kasachischer Staatsbürger – als stellvertretender Geschäftsführer eines Reisebüros. 2017 reist er kurz vor der Internationalen Energiemesse EXPO in kasachischen Hauptstadt Astana zu einer Konferenz nach China. Als unbescholtener Bürger fühlte Bekali sich sicher. Bei der Ankunft in China habe man ihn zwar eine halbe Stunde lang an der Passkontrolle festgehalten, dann habe er seine Reise zunächst jedoch ungehindert fortsetzen können.

Nach dem Ende der zweitägigen Konferenz möchte Ömer Bekali noch seine Eltern in Kashgar besuchen. Ab diesem Zeitpunkt gerät sein Leben aus den Fugen. Am 26. März 2017 um 10 Uhr morgens stürmen bewaffnete Polizisten das Haus, in dem Bekali mit seinen Eltern und Geschwistern zusammensitzt. Gefesselt und mit einem schwarzen Sack über dem Kopf wird er abgeführt. „Zuerst“, erinnert sich Ömer Bekali, „brachten sie mich ins Krankenhaus. Hier wurden alle meine Organe überprüft, um sie falls nötig später entnehmen zu können. Dann steckten sie mich in eine unterirdische Polizeistation, wo ich vier Tage und Nächte lang schwer gefoltert wurde. Sie banden meine Füße und Hände mit Eisenketten an die Decke. Sie steckten Eisenstangen und Nadeln unter meine Fingernägel und quetschten sie mit einer Zange, schlugen mich mit einer Eisenpeitsche und folterten mich mit Elektroschocks.“ Durch die Folter habe man ihn und seine Mitgefangenen dazu bringen wollen, Verbrechen zu gestehen, die sie nicht begangen hatten, darunter Aufstand gegen die Verfassungsordnung, Zusammenarbeit mit Terroristen und die Vorbereitung von Terroranschlägen. Bekali unterschrieb das vorbereitete „Geständnis“ trotz allem nicht.

 

Kein „Ausbildungszentrum“ sondern „Folterzentrum“

Anschließend sei er in ein „Ausbildungszentrum“ gebracht worden, wo er sich mit zeitweise bis zu 40 anderen Gefangenen eine 18 Quadratmeter große Gefängniszelle habe teilen müssen. „Wir waren aneinander gekettet. Sie haben unsere Ketten drei Monate lang nicht entfernt. Ob wir auf die Toilette gingen oder schliefen, unsere Hände und Füße waren immer gefesselt“, erinnert sich Ömer Bekali.

Freitags wurde ihnen Schweinefleisch serviert. An den anderen Tagen gab es für die Häftlinge, die sich weder waschen noch duschen durften, nichts außer eines

kleinen chinesischen Brots und Wasser. „Vor dem Essen sollten wir ein „Gebet“ sprechen: „Lang lebe Ji Xinping, das Land möge stark sein, ich möchte der Kommunistischen Partei Chinas und dem Staat danken.“ Wenn wir das Gebet zu leise sprachen, ließen sie uns die Worte so oft wiederholen, bis sie damit zufrieden waren“, berichtet Ömer Bekali. „Manchmal bekamen wir 24 Stunden lang überhaupt nichts zu essen, wenn ihnen nicht gefiel, was wir sagten.“

Jeden Abend mussten die Häftlinge die chinesische Nationalhymne und Gesetzestexte auswendig lernen. Uigurisch zu sprechen war strengstens verboten, ebenso wie das islamische Gebet. Ungehorsam wurde brutal bestraft: stundenlanges Stehen, Dunkelhaft, Schläge. „Manchmal ließen sie uns 24 Stunden lang hungrig und durstig auf einem Stuhl sitzen, der der „Folterstuhl“ genannt wurde. Im Sommer wurden wir dabei der Sonne ausgesetzt, im Winter stellten sie unsere nackten Füße in einen Behälter mit Eis“, berichtet Bekali. Immer wieder verschwanden Mitgefangene. Auch wenn niemand genau wusste, wohin sie gebracht wurden, hat Ömer Bekali seine Vermutungen. Er selbst habe erlebt, wie zwei Häftlinge zu Tode gefoltert wurden.


Seit zwei Jahren ohne Nachricht

Während Ömer Bekali im „Ausbildungszentrum“ saß, bemühte sich seine Familie in Kasachstan um seine Freilassung. Nach Interventionen der Botschaft kam er nach acht Monaten Lagerhaft schließlich frei. „Wenn ich kein kasachischer Staatsbürger gewesen wäre, hätten sie mich nie entlassen“, glaubt er. Nach der Haftentlassung zog er zuerst mit seiner Frau und den beiden Kindern nach Istanbul. Inzwischen lebt er in den Niederlanden, hat dort Asyl beantragt. Was ihm in China wiederfahren ist, will Ömer Bekali überall publik machen. „Weil ich im „Ausbildungszentrum“ war, habe ich erst viel später erfahren, dass mein Vater in Ostturkestan ebenfalls in ein Lager gebracht und später dort getötet wurde. Von meiner Mutter und meinen Geschwistern habe ich seit 2017 keine Nachrichten mehr erhalten. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt noch am Leben sind.“


„Sie sammeln alle ein“

Die zögerliche Haltung der Weltgemeinschaft gegenüber China ärgert Ömer Bekali. „Dieser Staat hat uns Uiguren niemals erlaubt, unsere Religion zu praktizieren. Bei uns sind sogar Vorhänge verboten. Bei wem zur Zeit des Morgengebets Licht brannte, der wurde sofort verfolgt und verhört. Fasten, beten, Gardinen vor den Fenstern, Alkoholverzicht – all das kann ein Grund sein, um ins Lager geschickt zu werden“, sagt Bekali.

Seit 2013 nehme die Verfolgung kontinuierlich zu. Erst sei religiöse Bekleidung verboten worden, Männer hätten sich rasieren müssen. Nach dem Ramadan-Fasten sei es nun inzwischen sogar untersagt, daheim zu beten. Anfangs habe das Regime nur Religionsgelehrte und Intellektuelle verhaften lassen und dies auch nur nachts. Inzwischen gäben sich die Behörden nicht einmal mehr Mühe, ihre Repressionspolitik zu verschleiern, berichtet Ömer Bekali. „Jetzt sammeln sie alle ein.“



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