Vor etwa zehn Jahren endete auf Sri Lanka ein blutiger Bürgerkrieg mit fast hunderttausend Toten. Die aufständischen Tamilen mussten am 16. Mai 2009 vor den Regierungstruppen kapitulieren. Es war ein Krieg zwischen den beiden die Insel dominierenden Volksgruppen: den buddhistischen Singhalesen und den hinduistischen Tamilen. Muslime und Christen sind in Sri Lanka vergleichsweise kleine Minderheiten. Das machte Normen Odenthal in einem Interview mit Gastgeberin Maybrit Illner deutlich. Sie beschäftigte sich unter dem Titel „Terror in Sri Lanka – Krieg der Religionen?“ mit den verheerenden Anschlägen am Ostersonntag.
Der Asien-Korrespondent des ZDF berichtete zudem über die Herkunft der mittlerweile identifizierten Attentäter. Sie stammen aus gehobenen sozialen Schichten, hatten teilweise im Ausland studiert. Odenthal sprach vom Chaos in Sri Lankas Regierung und dem spürbar gewordenen Misstrauen gegenüber der muslimischen Minderheit.
Was leider nicht zur Sprache kam, war die Odenthal anzumerkende Verblüffung: Warum griffen ausgerechnet Angehörige der muslimischen Minderheit die christliche Minorität an? Für Selbstmordattentate waren schon die tamilischen Aufständischen berüchtigt gewesen. Sie hatten bei einem solchen Anschlag 1991 sogar den früheren indischen Ministerpräsidenten Rajiv Gandhi ermordet.
Kein Racheakt für Christchurch
Der am Londoner King's College arbeitende Terrorismus-Experte Peter R. Neumann interpretierte diese Anschläge dann auch im Kontext des islamistischen Dschihadismus. Mittlerweile hat sie der IS für sich reklamiert. Neumann sah darin einen Strategiewechsel nach dem Untergang des Kalifats. Der IS suche nach seiner Niederlage neue Kriegsschauplätze etwa in Afrika, so Neumann. Er machte zudem auf einen wichtigen Punkt aufmerksam: Die Anschlagsvorbereitungen seien schon vor dem terroristisch motivierten Massenmord an Muslimen im neuseeländischen Christchurch erfolgt. Die These vom Racheakt wurde allerdings zuerst von der Regierung in Colombo in die Welt gesetzt, Tage vor den Selbstbezichtigungen des IS.
Diese Anschläge im Kontext des Dschihadismus waren Anlass, um über einen „Krieg der Religionen“ zu diskutieren. Es wurde eine muntere Debatte, die der klugen Auswahl der Gäste zu verdanken war. Es traf Aiman A. Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, auf den Autor und bekennenden Atheisten Philipp Möller. Dazu kam Mürvet Öztürk. Die frühere hessische Landtagsabgeordnete hatte Fraktion und Partei der Grünen wegen der von ihr als zu restriktiv empfundenen Flüchtlingspolitik der schwarz-grünen Regierung in Wiesbaden verlassen. Sie wurde zur Gegenspielerin von Mazyek, den sie als Vertreter eines konservativen Islam kritisierte. Außerdem bereicherte diese Sendung der frühere CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach. Ihn trennen in der Flüchtlingspolitik zweifellos Welten von Frau Öztürk. In einer Hinsicht waren sich die Islamwissenschaftlerin und der ehemalige Bundestagsabgeordnete aber einig: Es war ihr Verständnis von der Rolle der Religion im säkularen Staat. Sie sei letztlich Privatsache, um einen gemeinsamen Punkt formulieren.
Kerngeschäft der Kirchen
Man muss wirklich kein Religionskritiker wie Möller sein, um den modernen Staat und dessen freiheitliche Verfassungen als jahrhundertelangen Kampf gegen den Alleinvertretungsanspruch des Christentums zu verstehen. Dieses beanspruchte aus der christlichen Offenbarung zugleich die Definitionshoheit über das gottgefällige Leben auf Erden. So wies Bosbach auf die heute gültige „Trennung von Spiritualität und Politik“ hin. Die Kirchen sollten sich, profan gesprochen, auf ihr „Kerngeschäft“ Vermittlung von Glaubensinhalten beschränken. Das ist historisch eine durchaus junge Entwicklung.
Nun ist die Spiritualität der Amtskirchen selbst schon zum Krisenfaktor geworden. Im Katholizismus plagt den Klerus der eigene Machtverlust, der in der Debatte über den sexuellen Missbrauch zum Ausdruck kommt. Zugleich ist der deutsche Protestantismus so säkularisiert, dass er sich lieber mit Petitionen zum Tempolimit auf Autobahnen als mit der göttlichen Offenbarung beschäftigt. Niemand käme dort noch auf die Idee, das Tempolimit mit den höheren Weihen einer theologischen Begründung zu versehen.