Die Nachricht dürfte für einige interessierte Reaktionen in den deutschen Sicherheitsbehörden gesorgt haben. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten Ende vergangener Woche von der syrisch-irakischen Grenze, der deutsche Dschihadist Martin Lemke sei von der kurdisch geführten Miliz Syrische Demokratische Kräfte (SDF) festgenommen worden. Bestätigt hatten das zwei der Ehefrauen Lemkes, die mit ihrem Mann in das Dorf Baghus an der irakischen Grenze geflohen waren, wo sie sich den kurdischen Kämpfern ergeben hatten.
Eine der beiden, die 19 Jahre alte Leonora M. aus Sangerhausen, erwies sich gegenüber den Reportern als durchaus redselig, während sie in schwarzem Schleier, aber mit freiem Gesicht und Baby auf dem Arm vor einem Geländewagen wartete und erzählte, dass sie mit 15 Jahren aus der sachsen-anhaltischen Provinz ins Herrschaftsgebiet des „Islamischen Staats“ (IS) gereist war. Die Frauen waren mit den Kindern in dem Überprüfungszentrum der SDF von Lemke getrennt worden, der nun offenbar in einem Gefängnis der Miliz sitzt.
Heimatländer sind bei Auslieferung zurückhaltend
Allein seit Anfang Dezember sind nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 36.000 Menschen aus den letzten vom IS gehaltenen Gebieten geflohen, darunter 3200 Kämpfer. Hunderte Dschihadisten aus westlichen Ländern, die einst in der Hochphase des IS nach Ausrufung des „Kalifats“ im Sommer 2014 in die Bürgerkriegsgebiete gezogen waren, sollen inzwischen von kurdischen und irakischen Truppen festgesetzt worden sein, viele davon mit Frauen und Kindern.
Die Kurden sind grundsätzlich bereit, die Kämpfer in ihre europäischen Heimatländer auszuliefern, doch dort ist man in vielen Fällen zurückhaltend. Im Westen ist die Lust offenbar nicht allzu groß, radikalisierte und teils traumatisierte Islamisten zurück ins Land zu lassen, gerade wenn die Beweise für eine Haftstrafe in der Heimat nicht immer ausreichen. Im Auswärtigen Amt in Berlin heißt es dazu nur, man habe Kenntnis von Fällen deutscher Staatsangehöriger, die sich in Nordsyrien in Gewahrsam befinden sollen, doch sei eine konsularische Betreuung derzeit faktisch nicht möglich. Für einen Auslieferungsantrag, an wen auch immer der im Fall der kurdischen Milizen gestellt werden müsste, sei das Bundesjustizministerium zuständig.
Vor allem mit den Dschihadistinnen hat man auch in Deutschland noch keinen rechten Umgang gefunden. Einer eher experimentellen Gesetzesauslegung des Generalbundesanwalts, der auch die Tätigkeit der Gattinnen von IS-Kämpfern als strafbare Unterstützung der Terrororganisation werten wollte, folgte der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr nicht. Den Kämpfern Kinder zu schenken, ihnen den Haushalt zu machen und so den „Islamischen Staat“ zu unterstützen reichte den Richtern allein nicht für eine Strafe. Anders wäre das allerdings, wenn weitere Tätigkeiten hinzukommen.
Im Fall von Martin Lemke dürfte die Beweislage klar genug sein. Ob die Berichte über dessen Gefangennahme zuträfen, will man beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe noch nicht kommentieren. Doch seien die Ermittler vorbereitet, falls Lemke tatsächlich zurück nach Deutschland käme. Anders als seine beiden Frauen den AFP-Reportern berichteten, war Lemke nämlich im „Islamischen Staat“ keineswegs nur als Techniker tätig. Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass der junge Mann aus Sachsen-Anhalt einer der ranghöchsten Deutschen in der Hierarchie des IS war und – zumindest zwischenzeitlich – eine wichtige Position innerhalb des Geheimdienstes des selbsternannten „Kalifats“ innehatte.