Dem Landeselternbeirat sei bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht „enorm wichtig“, sagt Korhan Ekinci, der Vorsitzende der hessischen Elternvertretung. Mit einer neutralen „Religionskunde“ werde es nicht gelingen, alle muslimischen Schüler und deren Familien einzubinden. Für den Elternbund Hessen, einen Zusammenschluss reformorientierter Eltern, könnte Religionsunterricht hingegen auch ohne Bindung an eine Konfession erteilt werden. „In der Schule muss man etwas über Religion, aber nicht beten lernen“, sagt der Vorsitzende Klaus Wilmes-Groebel.
Seit 2013 gibt es in Hessen bekenntnisorientierten Religionsunterricht für muslimische Schüler. Etwa 3100 Kinder von der ersten bis zur sechsten Klasse werden in 68 Schulen unterrichtet. Dafür arbeitet das Land mit den Religionsgemeinschaften Ditib und Ahmadiyya zusammen. Sie müssen zustimmen, damit die Lehrkräfte, die für den Religionsunterricht eine Weiterbildung an der Universität Gießen absolviert haben, eine Lehrerlaubnis bekommen. Außerdem wirken die Verbände bei der Erstellung der Lehrpläne mit – so, wie die katholische und evangelische Kirche für das Fach christliche Religion.
Laut Kultusministerium sollen Kinder im bekenntnisorientierten Unterricht die „Tradition und Werte ihrer Religion kennenlernen“. Das soll ihnen helfen, sich in einer „pluralen Vielfalt möglicher Lebensentwürfe zurechtzufinden und eine eigene Identität zu entwickeln, die religiöse Orientierung und ethische Urteilsfähigkeit einschließt“. Das Problem beim bekenntnisorientierten Islam-Unterricht ist, dass es auf Seiten der Muslime keine Kirchen und somit keine geborenen Partner gibt.
Vertrauen zu Ditib getrübt?
In Frage steht inzwischen, ob das Vertrauen, das 2013 zu Ditib bestand, noch gerechtfertigt ist. Aus der praktischen Zusammenarbeit und aus dem Unterricht sind zwar keine Schwierigkeiten bekannt, aber durch die politische Entwicklung in der Türkei und die Krise im deutsch-türkischen Verhältnis sind Zweifel an dem Moscheeverband aufgekommen. Ditib gilt Kritikern als „verlängerter Arm“ der türkischen Religionsbehörde Diyanet.
Um zu prüfen, ob das nicht nur für die Kölner Ditib-Zentrale, sondern auch für den hessischen Landesverband zutrifft und Auswirkungen auf den Religionsunterricht hat, holte die Landesregierung vor gut einem Jahr ein Gutachten ein. Das kam zu dem Schluss, dass es zwar keine Hinweise auf politische Einflussnahme im oder auf den Unterricht gebe, stellte allerdings auch eine „satzungsgemäß verankerte institutionelle Verbindung“ zwischen Landesverband, Bundesverband und Diyanet fest.
Anfang dieses Jahres forderte das Kultusministerium die hessische Ditib auf, bis zum Jahresende die Unabhängigkeit von Köln und Ankara nachzuweisen. Unter anderem seien ein Mitgliedsregister zu führen und „hinreichend professionelle Verwaltungsstrukturen“ aufzubauen. Der wohl wichtigste Punkt wurde lediglich als Empfehlung genannt: die Sicherstellung der „institutionellen Unabhängigkeit“.
Elternvertreter sind kritisch
Anfang November, fast zwei Monate vor Ablauf der Frist, hat Ditib einen Entwurf für eine Satzungsänderung im Hessischen Kultusministerium eingereicht. Diese neue Satzung wurde nach Angaben des Landesverbandes mittlerweile beschlossen. Sie besagt, dass der Landesvorstand künftig nicht mehr vom Bundesverband vorgeschlagen werden darf. Vielmehr kann künftig jedes Mitglied kandidieren. Ob das für die weitere Zusammenarbeit beim Religionsunterricht in Hessen ausreicht, ist noch unklar.
Das Kultusministerium wird sich nach den Worten eines Sprechers an die Abmachung halten, „bis Ablauf der Frist am 31. Dezember keine Teilbewertungen“ abzugeben. Anfang nächsten Jahres werde dann entschieden. Um sich eine Meinung zu bilden, hat auch der Landeselternbeirat Gespräche mit dem Ditib-Landesverband geführt. Die Haltung der Elternvertreter sei „sehr kritisch“ gewesen, sagt Ekinci. Der Wille, durch die Satzungsänderung die Unabhängigkeit sicherzustellen, habe zwar glaubhaft gewirkt, es stelle sich jedoch die Frage, „ob die Änderungen auch greifen“.
Der Landeselternbeirat werde seine skeptische Haltung beibehalten, bis eine Entscheidung des Kultusministeriums vorliege. Wenn diese positiv ausfalle, dann müsse Ditib als Partner aber akzeptiert werden. Was geschieht, wenn die Prüfung negativ ausfällt, ist offen. Ekinci weist darauf hin, dass Ditib die einzige Körperschaft öffentlichen Rechts sei, die einen großen Teil der sunnitischen Muslime vertrete. Der Elternbundsvorsitzende Wilmes-Groebel hebt hingegen hervor, dass Ditib eine rein türkische Organisation sei und nicht für Muslime aus anderen Ländern spreche.
Das Problem, keinen Partner für den Religionsunterricht zu haben, könne man durch ein unabhängig von Glaubensgemeinschaften erteiltes Fach lösen. Diese Religionskunde müsse dann aber auch den katholischen und evangelischen Unterricht ablösen. Ein Vorteil dabei sei, dass alle Kinder zusammen etwas über die großen Weltreligionen lernen könnten und sich niemand durch eine Abmeldung ausschließen könne.