Sein Satz aus dem Frühjahr holt Horst Seehofer immer wieder ein. Eine muslimische Familie habe ihn kürzlich angesprochen, ganz verschreckt sei sie gewesen, erzählt der Bundesinnenminister. „Sie meinen doch, wir gehören gar nicht zu Deutschland“, zitiert er die Familie. Seehofer fühlt sich vollkommen missverstanden. „Es kann doch keinen vernünftigen Zweifel daran geben, dass Muslime zu Deutschland gehören“, sagt er bei seiner Eröffnungsrede der Deutschen Islam Konferenz am Mittwoch in Berlin. Und er will auch nie etwas anderes gemeint haben.
Die „Bild“-Zeitung hatte ihn im vergangenen März gefragt, ob der Islam zu Deutschland gehört, worauf er mit einem klaren „Nein. Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ geantwortet hatte. Mit diesem Satz überschrieb die Zeitung auch das Interview, was Seehofer nicht ernsthaft gewundert haben wird. Auch damals fügte er in seiner Antwort aber hinzu: „Bei uns lebende Muslime gehören selbstverständlich zu Deutschland.“ Nur dürfe man aus falscher Rücksichtnahme deshalb nicht „unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben“.
Es ist nicht so, dass Seehofer behaupten würde, dass sich das „nicht“ durch ein Versehen in seinen Satz eingeschlichen hätte. Doch wenn man ihm am Mittwoch zuhört, kann man schon den Eindruck bekommen, er würde das „nicht“ streichen, könnte er das Interview heute noch einmal autorisieren. „Als Heimatminister werde ich die Muslime unterstützen“, verspricht Seehofer. „Die Gemeinden vermitteln den Gläubigen Heimat und Halt.“ Die zentrale Frage sei für ihn, wie ein Islam in Deutschland gefördert werden könne, „der in unserer Gesellschaft verwurzelt ist“.
„Wir verstehen uns dabei nicht als Vormund, sondern als Brückenbauer“
Seehofer spricht sich dafür aus, dass ausländische Einflüsse auf deutsche Moschee-Gemeinden zurückgedrängt werden und sie Organisation, Finanzierung und die Imam-Ausbildung selbst in die Hand nehmen. „Wir verstehen uns dabei nicht als Vormund, sondern als Brückenbauer“, so Seehofer. Ein „ehrlicher und offener Dialog“ sei wichtig, um Vorbehalte abzubauen. Das sei die Chance für „ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, Vertrauen“. Muslime und Nicht-Muslime, das seien doch „Nachbarn, Kollegen, Freunde“.
In der Podiumsrunde bedankt sich Bülent Ucar, der islamische Theologie in Osnabrück lehrt, beim Bundesinnenminister dafür, dass er sich von seinen „irritierenden Äußerungen“ der Vergangenheit distanziert habe, woraufhin ihm Seehofer, was er gerne tut, mit dem Zeigefinger droht und schelmisch lächelt. Ucar bleibt da noch ernst: „Ich habe das noch sehr freundlich formuliert, Herr Minister.“ Seehofer nutzt die Vorlage: „Ich danke Ihnen für die Barmherzigkeit, die Sie mir angedeihen lassen.“ Benjamin Idriz, Imam und Verfasser des Buchs „Grüß Gott, Herr Imam“, fasst Seehofers Rede mit den Worten zusammen: „Die Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehöre, ist damit ja nun beendet.“ Seehofer zögert kurz, dann sagt er: „Ich weiß nicht, ob hier Humor verstanden wird. Aber mich erinnert das hier an einen Kirchentag.“ Da lacht der Saal.
Seehofer ist in Form. Von Aiman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, lässt er sich versprechen, dass es vorangehe mit der Imam-Ausbildung in Deutschland. „Was schaffen Sie bis 2019?“, fragt er. „Zwei Dutzend.“ „Nicht mehr? Na gut.“ „Das geht ja hier zu wie auf dem türkischen Basar“, sagt die Moderatorin. „Kerber, Sie haben das gehört, flink an die Arbeit“, ruft Seehofer seinem Staatssekretär Markus Kerber zu. Der war schon 2006 an der Ausrichtung der ersten Deutschen Islam Konferenz unter dem damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble beteiligt gewesen. „Er denkt, was ich sage“, so Seehofer.