Nach der Aufhebung des Todesurteils gegen die Christin Asia Bibi in Pakistan hat ihr Anwalt aus Sorge um seine eigene Sicherheit das Land verlassen. „Unter den aktuellen Umständen ist es mir nicht möglich, in Pakistan zu leben“, sagte Saif-ul-Mulook am Samstagmorgen, bevor er in ein Flugzeug nach Europa stieg. Er müsse am Leben bleiben, „weil ich weiter vor Gericht für Asia Bibi kämpfen muss“, sagte der 62-Jährige. Diese Übereinkunft hätte es niemals geben dürfen", sagte Bibis Ehemann Ashiq Masih der Deutschen Welle. Seine Ehefrau sei "in großer Gefahr". Er appellierte an die Regierung, für ihre Sicherheit zu sorgen. Auch er und die gemeinsamen Töchter seien nicht sicher und wechselten ständig ihren Aufenthaltsort.
Der Oberste Gerichtshof Pakistans hatte am Mittwoch nach acht Jahren das Todesurteil gegen Bibi wegen Gotteslästerung aufgehoben. Er sprach die Frau, deren Fall international für Aufsehen gesorgt hatte, von allen Vorwürfen frei. Nach Bekanntwerden des Urteils kam es in dem konservativ-muslimischen Land zu tagelangen Protesten von Islamisten. Am Freitagabend erklärte die Islamistenpartei Tehreek-e-Labaik die Massenproteste nach einer Einigung mit der Regierung für beendet.
Religionsminister Noor-Ul-Haq Qadri und Informationsminister Fayazulhasan Chohan bestätigten die Einigung. Ein von beiden Seiten unterzeichnetes Fünf-Punkte-Papier, das AFP vorlag, sieht vor, dass sich die Regierung einem Berufungsverfahren nicht entgegenstellt. Zudem soll Bibi die Ausreise aus Pakistan untersagt werden. Ihr Anwalt sagte AFP, die gewaltsame Reaktion der Islamisten auf das Urteil sei „traurig, aber nicht unerwartet“. „Schmerzhaft“ sei allerdings die Antwort der Regierung. „Sie können nicht einmal ein Urteil des obersten Gerichts des Landes umsetzen“, bedauerte er.
„Ihr Leben wird mehr oder weniger dasselbe sein“
Die Einigung zwischen der Regierung und der Islamistenpartei bedeute für Bibi, dass sich an ihrer Lage nichts ändern werde. „Ihr Leben wird mehr oder weniger dasselbe sein, ob es nun in einem Gefängnis ist oder außerhalb an einem isolierten Ort wegen der Sicherheitsbedenken.“ Örtliche Medien kritisierten die Vereinbarung zwischen Regierung und Islamisten. „Eine weitere Regierung hat vor den gewalttätigen religiösen Extremisten kapituliert, die weder an die Demokratie noch an die Verfassung glauben“, hieß es im Leitartikel der Zeitung „Dawn“ vom Samstag.
Die Spannungen in Pakistan wurden am Freitag durch die Nachricht verschärft, dass der bedeutende pakistanische Religionsführer Sami Ul-Haq getötet worden sei. Unbekannte hätten Ul-Hak in seinem Haus in der zentralpakistanischen Provinz Punjab niedergestochen und auf ihn geschossen, teilten Behördenvertreter und seine Familie mit. Tausende Anhänger nahmen am Samstag an seiner Beerdigung teil.
Seine Partei JUI-S war ein Verbündeter der regierenden Tehreek-e-Insaf-Partei von Premierminister Imran Khan. Dieser verurteilte die Ermordung und ordnete eine Untersuchung an. Ul-Haq ist auch als „Vater der Taliban“ bekannt. In seinen Koranschulen wurden einst spätere Taliban-Größen wie Mullah Omar und Dschalaluddin Hakkani ausgebildet.