Nun sind fast 4 Jahrzehnte seit Ende des Krieges, den der Diktatur Saddam der islamischen Republik Iran aufgezwungen hatte, vergangen. Viele der beeindruckenden und teilweise sehr erstaunlichen Ereignisse aus dieser Zeit blieben noch ungesagt. Die neuen Bucherscheinungen mit Erinnerungen aus dieser Zeit können für die heutigen Leser nur einen Teil all dieser Geschehnisse wiedergeben.
Als die Iraner dieses Jahr den 38. Gedenktag an den Beginn des auferlegten Krieges begingen, wurde die Herausgabe eines neuen Buches publik, welches einen Blick auf die tapferen Taten und Opfer der Iranerinnen in der Zeit der Heiligen Verteidigung und des Widerstandes wirft. Der Titel lautet „Farangis“. Es handelt sich um die Biografie einer Iranerin namens Farangis Heydarpur aus Gilane- Gharb . Sie ist ein Beispiel für alle Frauen, die bei der Verteidigung eine Rolle gespielt haben. Das Buch hat Mehnaz Fatahi geschrieben.
Das Buch Farangis setzt sich aus 12 Kapiteln zusammen. Hier erzählt eine tapfere Frau aus der Provinz Kermanschah ihre Geschichte. Im ersten Kapitel geht es um ihre Kindheit. Farangis ist in dem Dorf Auzin Gursefid im Landkreis Gilan-e Gharb aufgewachsen.Ihre Familie gehört zu dem großen Volksstamm der Kalhor. Sie berichtet, dass sie gegen ihren eigenen Willen mit einem Iraker in der Stadt Chaneqin vermählt werden sollte. Ein Ältester der Familie verhinderte dies jedoch. Im zweiten Kapitel hält ein Freier aus dem Nachbardorf um ihre Hand an und Farangis willigt ein und heiratet ihn. Ihr Mann heißt Ali Mardan. Das nächste Kapitel handelt davon, dass dieses junge Paar gerade sein kleines Glück begonnen hatte, als plötzlich der Krieg, den das irakische Saddam-Regime der Islamischen Republik auferlegte, ausbrach und das Leben überschattete.
Eine Gruppe von männlichen Dorfbewohnern zieht sofort an die Front in den Kampf gegen die Eindringlinge. Ihnen folgt eine weitere Gruppe um sich nach ihnen zu erkundigen. Aber alle kommen ums Leben. Die zurückgebliebenen Frauen und Männer des Dorfes verbergen sich in den umliegenden Bergen. Es beginnt ein aufregendes Schauspiel mit den beängstigten Szenen des Krieges und beeindruckenden Szenen vom Widerstand der Männer und Frauen in den Grenzgebieten.
Die junge Farangis, die den Unterschlupf in den Bergen verlässt und aus dem Dorf Essensvorräte besorgt begegnet auf dem Rückweg zwei irakischen Soldaten. Sie greift nach einem Beil und wehrt sich. Den einen tötet und den anderen verletzt sie und nimmt ihn gefangen.
In den darauffolgenden Kapiteln erfahren wir aus dem Flüchtlingsleben von Farangis und ihrer Familie und den Dorfbewohnern aus ihrer Gegend. Diese müssen immer wieder von einem Ort zum anderen fliehen. Sie kehren mehrmals in ihr Dorf Auzin Gursefid zurück, doch immer wieder erleben sie die pausenlosen Bombardierungen des Feindes. Einige von ihnen werden Märtyrer und andere werden verwundet. Viele davon sind Verwandte von Farangis. Nicht nur die feindlichen Bombardierungen verursachen blutige Ereignisse. Es kommt auch vor, dass Kinder und Jugendliche und andere Dorfbewohner des Grenzgebietes durch Minen verletzt oder getötet werden.
Farangis hat vieles aus der Zeit der Heiligen Verteidigung zu berichten. Es sind Dinge die zu den wichtigsten Kriegsereignissen gehören. So hat sie die pausenlosen Bombardierung der Dörfer in Umgebung von Gilan-e Gharb erlebt, ebenso wie den Angriff der so genannten Volksmudschaheddin auf Islamabad-e Gharb einer weiteren Stadt in Kermanshah und die erfolgreiche iranische Mersad-Abwehroperation. Diese Ereignisse wird die tapfere Farangis nicht vergessen. Farangis erinnert sich auch noch gerne an den Besuch des Revolutionsführers in der Provinz Kermanschah, vor einigen Jahren. Sie hat ihn damals in Gilan-e Gharb ganz aus der Nähe zu sehen. Es existiert noch ein Foto davon.
Das Buch „Farangis“ ist sehr flüssig und einfach geschrieben. Die Ereignisse werden chronologisch geschildert, und die Autorin beschreibt erfolgreich die Umgebung, in der sie sich abspielen – von der Natur bis zu dem Kriegsgeschehen. Mehnaz Fatahi, die die Schilderungen von Farangis Heydarpur zu Papier gebracht hat berichtet zum Abschluss des Buches über die jetzige Situation von Farangis Heydarpur und ihren Familienmitgliedern und dokumentiert im Anhang mit 85 Fotos und 9 Schriftstücken den Inhalt des Buches. Frau Fatahi sagt: „Ich habe bewusst in der Geschichte von Farangis die einheimische Atmosphäre geschildert und wollte dass die Leser sich im Geiste eine kurdische Frau, von der es in der Geschichte heißt, dass sie wie ein Mann gehandelt hat, vorstellen können. Ich möchte, dass Farangis das Buch der Frauen meiner Heimat wird und ich habe in der Tat Farangis so beschrieben, wie sie ist; ohne Unter- oder Übertreibung.“
Mehnaz Fatahi hat 3 Jahre lang an dem Buch über das Leben von Farangis gearbeitet. In dieser Zeit hat sie immer wieder das Dorf, in dem diese Frau lebt, aufgesucht. Fatahi berichtet, dass sie ihr Buch über 50mal umgeschrieben hat und erklärt: „Das Thema war mir sehr wichtig und ich wollte so genau wie möglich die Tapferkeit Farangis und der Bevölkerung von Kermanschah in der Zeit der Heiligen Verteidigung beschreiben.“
Auf der 17. Runde des Jahresbuchpreises der Heiligen Verteidigung wurde „Farangis“ als auserwähltes Buch gewürdigt. Eine Übersetzung in die Urdu-Sprache und ins Englische liegt bereits vor und zurzeit wird es ins Kurdische übertragen. Außerdem befindet sich eine besondere Version für Kinder und Jugendliche in der Vorbereitung.
Die Männer und Frauen der Provinz Kermanschah haben während des auferlegten Krieges ,als sie erbarmungslos von den Feinden angegriffen wurden, heldenhaft das Land verteidigt und sich in der Geschichte verewigt. Es fällt auf wie viele Frauen an diesem Widerstand Seite an Seite mit den Männern gekämpft haben und nicht zuließen, dass eine Handbreit ihrer Heimat von den Feinden besetzt wird. Farangis ist eines der lebendigen Beispiele aus dieser Zeit und sie ist mit Sicherheit nicht die einzige Frau von Kermanschah, die wie eine Löwin gekämpft hat. Die Geschichte von Farangis ist die Geschichte von der Kultur, der Tapferkeit und der Opferbereitschaft der Bevölkerung von Kermanschah während der Heiligen Verteidigung. Die ganze Bevölkerung dieser Provinz hat tapfer ihre Heimat gegenüber der Invasion des Saddam-Regimes zu schützen versucht und dabei tausende Märtyrer und Kampfversehrte in Kauf genommen.
Schon in den ersten Jahren nach Kriegsende sind Erinnerungen von Frauen, die an der Heiligen Verteidigung teilgenommen haben schriftlich festgehalten worden. Diese Literatur ist in den letzten Jahren immer reifer geworden und es wurden neue Berichte von Augenzeugeninnen und ihre Sicht auf die Kriegserlebnisse vorgelegt.
Ajatollah Khamenei, das Oberhaupt der Islamischen Revolution hat fast alle diese Werke gelesen und zu vielen Stellung genommen. Vor ungefähr einer Woche war aus den Nachrichten zu erfahren, dass Frau Farangis Heydarpur und Mehnaz Fatahi mit Ajatollah Khamenei zusammengetroffen sind. Zu diesem Anlass hat Ajatollah Khamenei eine Notiz zur Würdigung der Autorin und der Hauptfigur der Biografie „Farangi“ angefertigt.
In dieser Notiz hieß es:
Im Namen Gottes des Allbarmherzigen, des Gütigen
„In diesem Buch kann im Rahmen der Biografie dieser mutigen und opferbereiten Frau ein Blick auf jenen Teil der Ereignisse während der Verteidigung, der von Bedeutung ist, jedoch ungesagt blieb, geworfen werden. Hier spricht die tapfere Dame Farangis mit diesem Geist der Standhaftigkeit und Stärke in der ehrlichen und freundlichen Sprache einer Dorfbewohnerin und mit den feinen, zarten Gefühlen einer Frau zu uns und macht uns ausführlich mit einer unbekannten aber wichtigen Gegend in dem geografischen Gebiet, wo der auferlegte Krieg stattfand, vertraut.
Nie zuvor haben wir so deutlich und detailliert, wie es in dieser Erzählung geschrieben steht, über die Bevölkerung in den Grenzdörfern zur Zeit des Krieges und die zahlreichen Leiden, die ihnen widerfuhren und ihr Flüchtlingsdasein und ihren Hunger und die materiellen Schäden und Zerstörungen und die Trauer über den Verlust ihrer Lieben erfahren und auch nicht über die Opfertaten ihrer jungen Menschen, die zu den ersten gehörten, die in den Kampf gegen den aggressiven Feind eilten. Die Geschichte von der Tötung und Gefangennahme von Feinden durch diese kühne Frau, stellt eine eigenständige und außergewöhnliche Geschichte, wie sie nur noch in Susangerd , ganz zu Anfang, vorgekommen ist. Die Dame Farangis muss gewürdigt werden und ebenso ist der Autorin des Buches – Frau Fatahi sehr zu danken für ihren flüssigen und schönen Stil und ihre gelungenen Interviews und die Niederschrift der Erinnerungen.“
Nach dem Krieg wurde zur Würdigung von Frau Farangis Heydarpur , der Heldin von Gilan-e Gharb in der Stadt Kermanschah am Eingang zum Schirin-Park eine Statue von ihr aufgestellt als Symbol für den tapferen Einsatz der Bürgerinnen der Provinz Kermanschahr. Im Laufe der Revolution und während des auferlegten Krieges sind in dieser Provinz 945 Frauen den Märtyrertod gestorben.
Wir beenden diesen Beitrag mit einem übersetzten Ausschnitt aus dem Buch „Farangis“:
Er fragte: „Willst du dass wir von hier weggehen, in die Stadt oder woanders hin…?
Ich sah ihn ärgerlich an und sagte: „Bringst du es wirklich fertig, unser Haus den Irakern auszuliefern?“
Er stand auf, setzte sich nach draußen ins Dunkel der Nacht um zu den Sternen hochzusehen, und sagte: „Es ist ein schrecklicher Krieg. Du wirst ums Leben kommen, oder – Gott behüte, dem Feind in die Hände fallen …“
Ich setzte mich zu ihm, blickte wie er nach oben zu den Sternen und antwortete: „Merke dir! Ich bin die letzte, die dieses Dorf verlässt. Fliehen ist für mich wie Sterben. Erwarte nicht von mir, dass ich so einfach weglaufe. Merke dir: Ich bin Farangis. Richtig! Ich bin eine Frau, aber ich kämpfe wie ein Mann. Ich habe keine Angst, verstehst du?“