Dienstag, 10.30 Uhr. Das Erste, was man in der malaysischen Küstenstadt Malakka hört, ist ohrenbetäubend lauter Heavy Metal. Das Erste, was man sieht, ist eine mit knallbunten Stofftieren geschmückte Rikscha, die in der Fußgängerzone an einem vorbeirast, der Krach gehört offenbar zur Stadt wie das Meeresrauschen.
11.20 Uhr. Auf dem Platz vor der christlichen Kirche in Malakka herrscht ein Treiben wie in Disneyland. Ein Mann hat sich seinen Anzug, seinen Gehstock und seinen Hut golden angemalt und steht regungslos in der sengenden Hitze vor einer Spendenbox. Daneben drängen sich Touristen um menschenhohe Buchstaben, die zusammen den Satz „i LOVE MELAKA“ formen. Selfies werden geschossen. Am Rande des Platzes sitzen Straßenhändler neben Bergen von T-Shirts, auf denen die Kitschrikschas abgebildet sind. Eines der Fahrradtaxis rollt heran, direkt vor der Kirche macht der Fahrer die Technomusik aus, fängt Streit mit einem Kollegen an, der ihm plötzlich ins Gesicht schlägt.
12 Uhr. Eine alte Chinesin führt Besucher durch das Baba Nyonya Heritage Museum. Das Haus wurde 1896 vom Urgroßvater von Chan Kim Lay gebaut, der daraus 1986 ein Museum machte. Darin wird seitdem gezeigt, wie Chinesen traditionell in Malaysia leben. Die Präsidenten von China und Singapur waren schon zu Besuch. Was vor Ort in Erinnerung bleibt? Schöne Vasen, schönes Porzellan, schöne Möbel, knarzender Boden. Und die Pointen der alten Chinesin, die sie mit plötzlich aufblitzendem Lächeln am Ende ihrer strengen Vorträge setzt – um Sekunden später wieder todernst zu sein.
13 Uhr. Essen. Der Reis im „Restoran Atlantic 1 Nyonya Food“ ist grün, eine alte Taktik in Malaysia, um Kinder für das sonst langweilige Essen zu interessieren. Für uns hätten die Beilagen gereicht: Neben einem gebratenen Fisch in Chilipaste (Chili Garam Fish) liegt auf dem Tisch ein saftiges, mit fermentierten Garnelen zubereitetes Omelett (Telur Cincaluk), ein Teller voller Okraschoten (Ulam Bendih), lockeres Tofu (Tauhu Tempura), eine mit Garnelenpaste aromatisierte Spinatpfanne (Kangkung Belacan) und das berühmte Rendang Ayam: ein trockenes Curry mit zartem Hühnchen, das vorher stundenlang in Kokosmilch und Gewürzen geschmort hat, um dann mit gerösteter Kokosnuss karamellisiert zu werden. Neun Personen zahlen für dieses Festessen am Ende etwa 70 Euro – in einem Restaurant, das aussieht wie eine bessere Dönerbude in Deutschland.
13.45 Uhr. Alan Wong führt durch die Harmony Street von Malakka. Überall in Malaysia gibt es diese Straßen, in denen Moscheen, buddhistische und hinduistische Tempel eng beieinanderstehen. Wong, dessen chinesische Familie in dritter Generation in Malaysia lebt, steht gegenüber der Moschee vor einem Restaurant und erzählt: „Hierher bin ich früher immer mit meinem Vater gekommen. Morgens um fünf Uhr haben wir Schweinefleisch gegessen, gegenüber sind die Muslime beten gegangen. Es gab nie Probleme. Wir akzeptieren uns alle gegenseitig. Das haben wir schon in der Schule gelernt.“ Warum das hier funktioniere, aber in anderen Ländern nicht, wird er gefragt. „Das müssen Sie in den anderen Ländern fragen.“ Warum es Nichtmuslimen 2013 verboten wurde, ihren Gott „Allah“ zu nennen, wie das auch Christen in dem Land taten, würde man dagegen gerne mal die Richter in Malaysia fragen.