Am Sonntag wurde in Wiesbaden die innerparteiliche Vereinigung der „Juden in der AfD“ (JAfD) gegründet – und die Absurdität, vielleicht auch die Durchsichtigkeit dieses Manövers zeigt sich allein beim Blick auf das Wahlprogramm der AfD in Hessen. Für die Wahl in knapp drei Wochen wirbt die Partei dort mit dem Satz: „betäubungsloses Schlachten (rituelles Schächten, Halal-Schlachten usw.) ist ausnahmslos zu untersagen.“ Ausnahmeregelungen, wie momentan, soll es nicht mehr geben. Das zielt mutmaßlich vor allem auf Muslime. Schließlich wird im Parteiprogramm ausführlich vor einer „Islamisierung Deutschlands“ gewarnt. Doch trifft es ebenfalls Juden.
Die ansonsten sehr zufrieden wirkenden Mitglieder der JAfD brachte das am Sonntag in eine gewisse Bredouille. Das sei „natürlich ein Problem“, doch sei das nicht „automatisch antisemitisch“, der entsprechende Absatz stehe „unter Tierschutz drin“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der JAfD, Wolfgang Fuhl. Begleitet von scharfen Angriffen auf die Presse und auf die jüdischen Verbände stellte Fuhl mit weiteren AfD-Vertretern am Sonntag die neugegründete Parteivereinigung in einem Bürgerhaus im Wiesbadener Stadtteil Erbenheim vor. Zuvor hatten sich die jüdischen Verbände in Deutschland klar von dem Schritt distanziert und die AfD eine „Gefahr für das jüdische Leben in Deutschland“ genannt.
In einer gemeinsamen Erklärung des Zentralrats der Juden in Deutschland mit 16 anderen jüdischen Organisationen heißt es: „Die AfD ist eine Partei, in der Judenhass und die Relativierung bis zur Leugnung der Schoa ein Zuhause haben. Die AfD ist antidemokratisch, menschenverachtend und in weiten Teilen rechtsradikal.“ Die Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde in München, Charlotte Knobloch, sagte der Zeitschrift „Spiegel“, die AfD propagiere ein Programm, das jüdisches Leben unmöglich mache. Die Vertreter der AfD reagierten darauf wiederum am Sonntag ihrerseits mit scharfen Angriffen: Über sie sei so viel „Hass und Hetze“ ausgeschüttet worden. Die jüdischen Verbände hätten sich freiwillig Merkels Politik „unterworfen“, sagte Fuhl und spielte auf die finanzielle Förderung durch die Regierung an: „Wes‘ Brot ich ess‘, des Lied ich sing“. Angela Merkel sei es mit ihrer Politik gelungen, die Juden in Deutschland zu „spalten“.
Fuhl saß mit zehn weiteren AfD-Mitgliedern auf der Bühne des Bürgerhauses, vor ihnen viele, auch internationale Journalisten. Die wurden belehrt, Fragen als „impertinent“ und „suggestiv“ bezeichnet. Und der große Auftritt der Vereinigung, knapp drei Wochen vor der Wahl, bei der die AfD jüngsten Umfragen zufolge mit rund 13 Prozent in den Landtag einziehen wird, wurde als notgedrungen beschrieben. Fuhls Angaben zufolge sei der Plan gewesen, die Vereinigung „still und leise“ zu gründen, erst durch die „Indiskretion eines Journalisten“ habe man sich gezwungen gesehen, an die Öffentlichkeit zu gehen. Es ist das alte Lied der AfD als Verfolgte.
Gerede vom „Volksaustausch“
Von den jüdischen Verbänden hatte es zuvor geheißen: „Allein der Blick auf die Ereignisse in Chemnitz sollte ausreichen, um zu erkennen, wes Geistes Kind die AfD ist. Dort marschierten Repräsentanten der AfD Seite an Seite mit Neonazis, Hooligans und Pegida-Anhängern. Sie scheuten sich nicht, mit Menschen, die den Hitlergruß zeigten, auf die Straße zu gehen. Wenn Juden auf die AfD als Garant für jüdisches Leben in Deutschland angewiesen wären, wäre es um das jüdische Leben hier schlecht bestellt.“ Zur Frage, wie die Vereinigung mit dem Rassismus halte, hieß es von der Vorsitzenden der JAfD, Vera Kosova: „Die AfD insgesamt distanziert sich von Antisemitismus und Rassismus.“ Kosova wurde in Usbekistan geboren, sie ist wie viele in der Vereinigung Russlanddeutsche. Auch Dimitri Schulz gehört dazu, Landtagskandidat, in Kirgistan geboren. Er trägt wie mehrere Männer im Raum eine Kippa. Schulz sagte kürzlich, eine „Masseneinwanderung junger Männer aus dem islamischen Kulturkreis“ sei wegen deren „antisemitischer Sozialisation“ jüdischem Leben in Deutschland abträglich. Das Argument ist vermutlich der Hauptgrund für diese Gründung.
Die AfD in Bayern plakatiert: „Deutsche Leitkultur! Islamfreie Schulen!“ Da dient die Gründung einer jüdischen Parteivereinigung einerseits wohl als Unterfütterung der antimuslimischen Haltung. Am Rande des Podiums sprachen AfD-Vertreter wie gewohnt über die Flüchtlingspolitik als „Volksaustausch“. Für Muslime sei es „normal“ mit einem Messer herumzulaufen und zuzustechen, sagte ein Russe mit Kippa. Andererseits dient die Gründung wohl als Mäntelchen der Liberalität. Mit dem die AfD beweisen will, wie tolerant sie gegenüber einer Minderheit ist. Ein Mäntelchen, das aber, aus vielerlei Gründen und nicht zuletzt, da AfD-Vertreter in Chemnitz mit Rechtsextremen mitmarschierten, sehr durchsichtig ist.
Mit der AfD habe zum ersten Mal eine Partei den Einzug in den Bundestag geschafft, „deren Programm sich zusammenfassen lässt mit den Worten: ,Juden raus‘“, hatte Charlotte Knobloch dem „Spiegel“ gesagt. In Deutschland herrsche das Grundrecht auf Meinungsfreiheit; er kommentiere oder kritisiere die Äußerung Knoblochs nicht, sagte Fuhr in Wiesbaden.