Es kommt nicht oft vor, dass sich Chefs großer deutscher Konzerne zum aktuellen politischen Geschehen äußern. Siemens-Chef Joe Kaeser (61) bildete in den vergangenen Monaten eine Ausnahme: Zuletzt lobte er Merkels EU-Flüchtlingsdeal, im Mai hatte er sich mit einem scharfen Tweet gegen die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel gewandt. Nun hat sich Kaeser erneut zu Wort gemeldet und davor gewarnt, dass Nationalismus und Rassismus in Deutschland zur Normalität werden.
„Es haben damals beim Nationalsozialismus zu viele Menschen geschwiegen, bis es zu spät war. Und das darf uns in Deutschland nicht wieder passieren“, sagte Kaeser am Samstag dem Bayerischen Rundfunk in München.
Für die hiesige Wirtschaft wäre es laut Kaeser verheerend, wenn Nationalismus und Rassismus salonfähig würden. Deutschland lebe vom Export und möglichst offenen Grenzen.
Gesellschaftliche Verantwortung „nicht nur in Sonntagsreden“
Viele Konzerne agierten international, mit Mitarbeitern und Kunden jeder Hautfarbe und Religion. Bei dem Thema gehe es neben humanistischen Werten auch um geschäftliche Interessen.
Der Vorstandsvorsitzende äußerte sich auch zu seiner Kritik an der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel im Mai. Beim Kurznachrichtendienst Twitter hatte Kaeser damals geschrieben, Weidel schade mit ihrem Nationalismus dem Ansehen Deutschlands in der Welt. Die Politikerin hatte zuvor im Bundestag unter anderem von „Kopftuchmädchen“ gesprochen.
Er bedauere seinen Tweet nicht, sagte Kaeser nun. „Es ging darum, dass die Äußerungen, die im Bundestag getätigt wurden, rassistisch waren, Ausgrenzung bedeutet haben und sehr stark an eine Tonalität erinnert haben, die die deutsche Geschichte zu ihren dunkelsten Flecken überhaupt geführt hat.“ Es sei wichtig, gesellschaftliche Verantwortung nicht nur in Sonntagsreden zu übernehmen.