Nach zwölf Jahren ist in Baden-Württemberg der Versuch gescheitert, aus Modellprojekten zum islamischen Religionsunterricht (IRU) ein reguläres Schulfach zu entwickeln. Vor ein paar Wochen verlängerte die grün-schwarze Landesregierung das Modellprojekt nur noch für das nächste Schuljahr. Im November 2015 hatte die damalige grün-rote Landesregierung noch einen Projektbeirat eingerichtet. Ziel war es, gemeinsam mit islamischen Verbänden Bildungspläne für das neue Fach und eine gemeinsame Trägerschaft zu entwickeln.
Mitglied des Projektbeirates sind vier Verbände: Der türkische Moscheeverband Ditib, der Landesverband der islamischen Kulturzentren (LVIKZ), die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW) sowie die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD). Doch die Gespräche verliefen zäh, eine nennenswerte Annäherung blieb aus. „Teile des Projektbeirates bestehen nun darauf, dass mit Ablauf des Modellversuchs dieser in die Trägerschaft der Verbände übergeht. Dies ist weder rechtlich möglich, noch politisch von uns gewollt, da hier auch Verbände beteiligt sind, die wir aufgrund ihrer Nähe zu Ankara kritisch betrachten“, heißt es in einem Beschluss der grünen Landtagsfraktion.
„Uns fehlt der verbindliche Ansprechpartner“
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält den islamischen Religionsunterricht weiterhin für ein „wertvolles integrationspolitisches Instrument“, er will aber dem Indoktrinieren der Schüler durch die islamischen Verbände vorbeugen. „Das Problem ist, dass wir keine islamischen Religionsgemeinschaften haben. Wir haben Verbände, die meinen, sie seien Religionsgemeinschaften. Das sind sie aber nicht. Da es in den islamischen Staaten keine Trennung von Staat und Moschee gibt, ist der Islam nicht zivilgesellschaftlich institutionalisiert. Deshalb fehlt uns der verbindliche Ansprechpartner. Wir brauchen Provisorien, damit wir einen Religionsunterricht mit einer provisorischen Trägerschaft anbieten können“, sagte Kretschmann der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Der grüne Politiker und katholische Christ kennt sich in kaum einem anderen politischen Gebiet so gut aus wie dem Staatskirchenrecht. Deshalb will er den islamischen Religionsunterricht mit einer Stiftung öffentlichen Rechts auf eine völlig neue Grundlage stellen.
Derzeit nehmen an 93 öffentlichen Schulen 5900 Schülerinnen und Schüler am islamischen Religionsunterricht im Rahmen des Modellversuchs teil. 600.000 Muslime leben im Südwesten – die Nachfrage der Eltern ist weiterhin groß. Es fehlt allerdings an Religionslehrern, die an den Pädagogischen Hochschulen in Tübingen und in Freiburg ausgebildet werden. 30 Prozent der Studenten brechen die Ausbildung derzeit ab, viele, weil sie die an den deutschen Hochschulen gelehrte Islam-Auslegung für zu liberal halten. CDU und Grüne wollen in jedem Fall vermeiden, dass die Verbände als Religionsgemeinschaften anerkennt werden und sie den Unterricht verantwortlich erteilen.