Frau Schäbler, in Europa werden derzeit intensive Islamdebatten geführt – in Deutschland geht es in der Folge der Flüchtlingskrise um die Frage, ob und in welcher Form der Islam zum Land gehört. Genauso wie in Frankreich fragt man sich außerdem, wie mit dem Antisemitismus arabischer Einwanderer umzugehen sei. Werden diese Diskussionen in der arabischen Welt wahrgenommen?
Ob die Diskussionen in ihrer Vielschichtigkeit wahrgenommen werden, steht dahin. Es ist ja oft so, dass der Transfer einer Diskussion in eine andere Gesellschaft thematische Verschiebungen mit sich bringt. Es kommt dann auch auf das jeweilige Land an. Aber dass Deutschland viele Flüchtlinge aufgenommen hat, wird natürlich wahrgenommen, überwiegend positiv. Gleichzeitig geht man, beispielsweise in Ägypten, davon aus, dass es eine Menge Islamophobie in Deutschland gibt. Im Libanon schüttelt man eher den Kopf darüber, wie ein Land sich so viele Flüchtlinge „aufhalsen“ kann. Im Augenblick ist die Stimmung im Libanon überwältigend so, dass man die Flüchtlinge im eigenen Land, die im Unterschied zu Deutschland jedoch ein Viertel der libanesischen Bevölkerung, also eine sehr viel größere Zahl ausmachen, loswerden will. Einzelne Politiker wollen sich mit den Vereinten Nationen regelrecht anlegen und werfen den Hilfswerken vor, man hindere die Flüchtlinge daran, ins eigene Land zurückzukehren. In diesen Kreisen wird auch eine Islamdebatte gepflegt, die radikalen Positionen in Deutschland weitgehend entspricht.