Erneut wurde die Klage einer Berliner Lehrerin gegen das Kopftuchverbot an allgemeinbildenden Schulen verhandelt. Eine ausgebildete Lehrerin hat gegen das Land Berlin geklagt. Sie will mit Kopftuch dauerhaft an einer Grundschule unterrichten. Der Bildungssenat verweigert dies mit Blick auf das Neutralitätsgesetz. Das Arbeitsgericht erörtert am Montag den Fall.
Eine endgültige Entscheidung will das Gericht am 9. Mai (13.00 Uhr) verkünden. Richter Arne Boyer sprach von keinem einfachen Fall.
Die Anwältin des Landes Berlin Seyran Ateş rechnete am Montag nach der Verhandlung mit einer Niederlage für den Senat. Sie zeigte sich enttäuscht, dass die Verfassungskonformität des Neutralitätsgesetzes nicht erörtert wurde.
Neutralitätsgesetz in Berlin
Laut Gesetz dürfen Polizisten, Justizmitarbeiter und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen im Dienst keine religiös geprägten Kleidungsstücke tragen. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will daran festhalten. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) meint, das Gesetz sei nicht zu halten. Die Linke als Koalitionspartner hat noch keine abschließende Meinung.
Einzellfallentscheidung
Im Vorjahr hatte das Landesarbeitsgericht einer muslimischen Lehrerin mit Kopftuch eine Entschädigung von 8680 Euro zugesprochen. Sie hatte argumentiert, sie sei wegen des Kopftuchs abgelehnt und diskriminiert worden. Das Gericht sah eine Benachteiligung, sprach jedoch von einer Einzelfallentscheidung. Der Senat hatte keine Revision gegen das Urteil eingelegt.
Die Klägerin, die am Montag nicht ins Gericht kam und in Elternzeit ist, hatte mit Kopftuch einen Tag an einer Grundschule unterrichtet. Sie wurde freigestellt und dann einem Oberstufenzentrum zugewiesen, wo das Kopftuch erlaubt ist. Dort hätte sie aber nur in einer Willkommensklasse unterrichten können. Die junge Frau hatte vor der Einstellung bejaht, dass sie das Neutralitätsgesetz kenne.
Es wäre die „sauberste Lösung“, den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, so Ateş. Das oberste Gericht hatte zuletzt 2015 ein pauschales Kopftuchverbot an nordrhein-westfälischen Schulen gekippt und die Bedeutung der Religionsfreiheit betont. Allein vom Tragen eines Kopftuches geht demnach keine Gefahr aus.
Ein Vorbild für muslimische Kinder
In der Hauptstadt lebten Menschen aus fast 120 Nationalitäten, die miteinander auskommen müssten. Doch gerade an Brennpunktschulen würden sich Kinder verschiedener Religionen bekriegen. Da wäre eine Lehrerin mit Kopftuch Vorbild für muslimische Kinder, sie würde so Konflikte verstärken. Sollte die junge Lehrerin Recht bekommen, würde ein Präzedenzfall geschaffen und das einzigartige Privileg, an einer bestimmten Schule unterrichten zu können, warnten die Vertreter des Senats. Richter Boyer sagte, in diesem Fall könne das Land eine Vollstreckungs-Gegenklage einreichen. (dpa, iQ)
Wie kam es überhaupt bis zu diesem Punkt? Wir haben den jahrzehntelangen Kopftuchstreit in einem Video zusammengefasst. Klicken Sie auf das Bild, um zum Video zu gelangen.