Herr Ghadban, Sie sind einer der wenigen Fachleute in Deutschland, die sich schon seit Jahrzehnten mit den kriminellen Machenschaften sogenannter kurdisch-libanesischer Clans und deren Parallelgesellschaft befassen. Im Herbst erscheint Ihr Buch „Arabische Clans. Die unterschätzte Form der organisierten Kriminalität“. Wann wurden Sie das erste Mal auf diese Gruppe aufmerksam?
Ich stamme selbst aus dem Libanon. Anfang der siebziger Jahre bekam ich ein Promotionsstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Wie für viele meiner Landsleute im Ausland war auch für mich der Ausbruch des Bürgerkriegs im Libanon im April 1975 ein tiefer Einschnitt. Ich sagte mir: Jetzt musst du helfen. Aus dem Ehrenamt wurde schnell mein Beruf: Zwischen 1977 und 1992 war ich als Sozialarbeiter an Schulen und Kindergärten tätig, zehn Jahre lang war ich Leiter der Beratungsstelle für Araber beim Diakonischen Werk. Seit 26 Jahren bin ich Lehrbeauftragter, betreibe Migrationsforschung mit dem Schwerpunkt Islam und befasse mich dabei auch immer wieder mit den sogenannten Mhallamiye-Kurden. Auf die Gruppe wurde ich 1976 aufmerksam, als man mich in ein Obdachlosenheim rief, wo neue Flüchtlinge angekommen waren. Es stellte sich heraus: Die Leute kamen zwar aus dem Libanon, waren aber gar keine Libanesen. Sie nannten sich selbst Mhallamiye. Sie waren einst als Armutseinwanderer aus der Südosttürkei in den Libanon gekommen, wurden als Kurden bezeichnet, sprachen aber nicht Kurdisch, sondern den arabischen Mhallamiye-Dialekt, daher ihr Name. Im Libanon blieben sie gesellschaftlich ausgegrenzt, lebten in Gettos. Deshalb verfestigten sich ihre archaischen Stammesstrukturen noch.