Ramazan Demir kommt ohne Bodyguards in das iranische Restaurant in Wien. Es ist sein Lieblingsrestaurant, die Portionen hier sind besonders groß. Demir, ein rundlicher Typ, lacht. "Ich esse gerne viel", sagt er. Der 31-Jährige ist Geistlicher und kümmert sich seit sieben Jahren um Menschen in Haft - Diebe, Betrüger, gescheiterte Selbstmordattentäter, Terroristen. Seit einem Jahr ist er Leiter der islamischen Gefängnisseelsorge in Österreich. Er nennt sich "Imam hinter Gittern".
Dass ihn keine Personenschützer begleiten, ist bemerkenswert. Extremisten bedrohen ihn, weil er sich regelmäßig kritisch über die extreme Auslegung des Islam äußert. Es gebe Morddrohungen, sagt er. Viel reden mag er darüber nicht. "Wenn meine Stunde geschlagen hat, ist es Allahs Wille", sagt er. "Aber ich hoffe, dass ich noch lange zu leben habe", ergänzt er und lacht wieder.
Demir hat eine eindringliche Botschaft: Europäische Gefängnisse seien zu einer "Brutstätte der Radikalisierung von Muslimen" geworden. "Viele normale Muslime, die ins Gefängnis kommen, verlassen es als Extremisten." Tausende von Gesprächen hat er im Lauf der Jahre mit Häftlingen geführt, vor allem in der Justizvollzugsanstalt Josefstadt in Wien, mit 1100 Insassen das größte Gefängnis Österreichs. Beinahe jeder dritte Häftling sei Muslim, sagt Demir. "Ich bin ähnlich jung wie diese Leute und außerdem Muslim. Das ist meine Eintrittskarte zu ihnen."
Zum Beispiel zu einem, der sich der Terrormiliz "Islamischer Staat" anschloss, nach Syrien ging und dort vermutlich gemordet hat. Oder zu einem, der seine Schwester erstochen hat, weil sie angeblich die "Ehre der Familie" verletzte. Oder zu einem, der eine Bombe bauen wollte, Informationen im Netz suchte, dort Spuren hinterließ und vom österreichischen Verfassungsschutz erwischt wurde, bevor er Schaden anrichten konnte.