Die Webseite Politically Incorrect (PI) ist so etwas wie das deutsche Leitmedium der Islamhasser. In der Berichterstattung sind die Rollen stets klar verteilt. Muslime werden als rückständig, gewalttätig, frauenfeindlich und fanatisch beschrieben. Ihr Ziel sei es, Deutschland zu unterwandern und eine vermeintliche "Umvolkung" voranzutreiben. Muslime sind Täter, (Bio-) Deutsche die Opfer. Nachrichten, die nicht in dieses Schwarz-Weiß-Bild passen, gibt es nicht. In den Leserkommentaren finden sich häufig Aufrufe, "aktiv" zu werden.
Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrates für Muslime, macht rechte Webseiten wie PI mitverantwortlich für eine wachsende Gewalt gegen Muslime und fordert eine strengere Kontrolle. "Webseiten mit einer solchen Hasssprache sind über Jahre chronisch unterschätzt worden. So hat sich eine Art der Denke festgesetzt, die nun dafür verantwortlich ist, dass wir inzwischen eine neue Dimension des anti-muslimischen Rassismus erleben."
"Die Hemmschwelle zur Gewalt ist massiv gesunken", sagt der Muslimvertreter und lobt die Initiative von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gegen Hasssprache im Internet. "Die sozialen Medien dürfen nicht zu asozialen Medien werden, sonst entzündet sich die Gewalt immer schneller."
Gezielte Anschläge statt einzelne Molotowcocktails
Vor einigen Jahren habe es "lediglich" ab und an den Wurf eines Molotowcocktails auf eine Moschee gegeben. "Heute gibt es dagegen gezielte Bombenanschläge auf Imame", verweist er unter anderem auf ein Beispiel in Dresden. Die Begründung des mutmaßlichen Täters sei gewesen, er müsse doch etwas gegen Muslime unternehmen. Seit dem vergangenen Jahr werden auch islamfeindliche Straftaten als Deliktbereich unter den politisch motivierten Straftaten gesondert erfasst. "Wir haben dafür Jahre hingearbeitet", sagt Mazyek unserer Zeitung. "Wir müssen Öffentlichkeit, Justiz, Polizei, aber auch unsere Moscheen selbst dafür sensibilisieren."
Mazyek geht von einer hohen Dunkelziffer aus und verweist auf einen Fall in Halle. "In einer unserer Moscheen, auf die erst am Freitag Schüsse abgefeuert worden sind, hat der Imam erklärt, sich erst beim zweiten Vorfall an die Polizei gewendet zu haben. Ich habe ihn gefragt, warum sagt ihr das erst jetzt?" So etwas erlebe er häufig. Bei dieser Opfergruppe gebe es eine große Hemmschwelle, sich gegenüber den Behörden zu offenbaren. Viele Opfer meldeten sich auch gar nicht.
Eine Vielzahl konkreter islamfeindlicher Straftaten sind trotzdem bereits publik geworden. Regelmäßig fragt die Fraktion der Linken im Bundestag danach in Parlamentarischen Anfragen. Mehr als 750 Straftaten listet das Bundesinnenministerium in den Antworten in den ersten neun Monaten 2017 bundesweit auf, darunter Körperverletzungen, Todesdrohungen, Brandanschläge auf Moscheen, Hakenkreuzschmierereien. Auch beim Amoklauf von München im Juli 2016 sei das Motiv inzwischen eindeutig, sagt Mazyek. "Das war anti-muslimischer Rassismus." Er klagt, dass noch immer daran gezweifelt werde, weil der Täter ein junger Deutsch-Iraner war. "Aber der Mann hat klar seine Motive dargelegt."
100 islamfeindliche Straftaten im Südwesen
Die aktuelle Statistik, die der Verfassungsschutz für das Jahr 2017 erstmals erstellt, wird erst im April/Mai offiziell veröffentlicht. Eine erste Bilanz hat dagegen das Innenministerium in Baden-Württemberg bereits gezogen. Demnach wurden im Land im vergangene Jahr insgesamt 100 islamfeindliche Straftaten erfasst. 97 Taten werden dabei dem politisch rechten Spektrum zugeordnet, drei gelten als politisch motivierte Kriminalität aus religiöser Ideologie. Bei den meisten angezeigten islamfeindlichen Taten (41) handelte es ich um Volksverhetzung und Verherrlichung von Gewalt (§§ 130, 131 StGB), in 18 Fällen kam es zu einer Sachbeschädigung (§§ 303 ff StGB), zwölf Beleidigungen (§§ 185 ff StGB) wurden erfasst und drei Körperverletzungen. Drei Taten sind 2017 in Heilbronn aktenkundig geworden, darunter ein Fall der Volksverhetzung und eine Sachbeschädigung (weiterer Bericht folgt).
Allein die Tatsache, dass antimuslimische Straftaten inzwischen als eigene Rubrik erfasst werden zeige, dass das Problem zunehme, sagt ein Sprecher des Innenministeriums in Stuttgart. Minister Thomas Strobl (CDU) verurteilt die Taten scharf: "Andere Menschen dafür zu hassen, nur weil sie vermeintlich anders sind, eine andere Religion oder Staatsangehörigkeit haben, ist an Dummheit, Hohlheit und Niederträchtigkeit nicht zu überbieten."
Hasskriminalität jedweder Art habe in Baden-Württemberg keinen Platz. Strobl kündigte gegenüber unserer Zeitung ein hartes Vorgehen an: "Wir verfolgen islamfeindliche Übergriffe mit aller Entschlossenheit und schöpfen alle rechtsstaatlichen Mittel aus."