Zeinab, Tochter Imam Alis und Fatimas und somit Enkeltochter des Propheten Muhammad, ist den meisten Menschen im Westen völlig unbekannt. Aber sie und ihr wahres Wesen sind auch vielen Muslimen fremd. Sogar einige derjenigen, die behaupten sie zu kennen, dichten ihr dennoch Worte und Handlungen an, die ihrer unwürdig sind. Dieser Tage gedenken Millionen von Muslimen ihres Geburtstages.
Wer ist Zeinab?
Zeinab ist das dritte Kind in der Familie Imam Alis und Fatimas. Sie ist die jüngere Schwester von Imam Hassan und Imam Hussein. Sie wuchs in diesem Haus der Reinen und Lauteren auf und wurde behutsam von ihren Eltern und auch vom Propheten erzogen. Als sie heiratete, vereinbarte sie in weiser Voraussicht mit ihrem Ehemann, dass dieser ihr niemals verbieten dürfe mit ihrem Bruder, Imam Hussein, auf Reisen zu gehen. Und so zog sie sehr viel später mit Imam Hussein und wenigen Getreuen in Richtung Karbala aus. Sie sollte die Heldin von Karbala und die Hauptquelle der Überlieferungen der Ereignisse für zukünftige Generationen werden.
Heute können wir sagen: Wenn Zeinab nicht gewesen wäre, dann wüssten wir faktisch nichts von dem, was tatsächlich am Tag von Aschura in der Wüste von Karbala geschah. Einer ihrer berühmtesten Aussprüche betrifft diese Ereignisse. Sie antwortete Yazid, dem Tyrannen-Herrscher der Ummayaden, der für die Ermordung der Märtyrer von Aschura verantwortlich war. Er fragte, wie sie bewerte, was Gott mit ihrem Bruder und ihrer Familie in Karbala angerichtet habe. Hierzu sagte sie zum Erschrecken Yazids: „Ich sah nichts als Schönheit.“
Was können wir heute von Zeinab lernen?
Frauen wie Männer können viel von der heiligen Zeinab lernen, auch wenn sie religionsrechtlich nicht zum engeren Zirkel der Reinen (a.) gezählt wird. Sie hat eine Stufe der Reinheit erreicht, die der Reinheit der Ahlulbayt sehr nahe kommt. Wir können aus ihrem Leben Lehren ziehen für das Verhältnis zu den Eltern, zu den Geschwistern, zum Ehepartner, zum Verhalten der Frau in der Gesellschaft, aber vor allem zum Verhältnis einer Frau zum Imam ihrer Zeit. Letzteres spielte in ihrem Leben eine entscheidende Rolle. Sie gab uns viele Signale, angefangen bei der vorbenannten doch eher ungewöhnlichen Bedingung in ihrem Ehevertrag. Letztlich kam es nicht zu einer solchen Bedingung, weil Imam Hussein ihr Bruder war, sondern weil er in naher Zukunft der Imam ihrer Zeit werden sollte, und weil sie von ihren Eltern und ihrem Großvater wusste, was geschehen wird, und dass sie als treue Anhängerin an seiner Seite stehen muss. Zeinab hat also bereits lange Zeit – Jahre – vor Aschura Vorkehrungen getroffen und sich hierauf vorbereitet. So wie Prophet Noah eine Arche in einer Wüstenregion baute, in der nie Regen fiel, und sich auf die nahende Sintflut vorbereitete.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Deshalb können wir nicht nur sagen, dass Zeinab zur rechten Zeit die richtige Entscheidung traf, sondern dass sie bereits im Voraus Bedingungen schaffte, die es ihr erleichterten, im entscheidenden Zeitpunkt die richtige Entscheidung zu treffen. Hierzu benötigt man nicht nur Weisheit und Wissen, sondern vor allem Weitsicht und Mut. Zur richtigen Zeit die richtige Entscheidung treffen, ist eine der Hauptlehren, die wir aus den Ereignissen um Aschura lernen können. Diese Eigenschaft ist im Kampf gegen den Pharao der eigenen Zeit von existenzieller Bedeutung. Imam Chamenei hat sich zu diesem Prinzip in der letzten Zeit sehr ausführlich geäußert. In einer Rede sagte er:
„Der wesentlichste Punkt im Ereignis von Qum ist – darauf habe ich häufig hingewiesen und ich möchte es noch einmal tun –, dass die Leute rechtzeitig, im richtigen Augenblick, reagiert haben. Wann immer eine Aufgabe rechtzeitig ausgeführt wird, trägt sie Früchte und ist effektiver [gelöst]. Wenn wir ein und dieselbe Aufgabe erst vernachlässigen und sie dann verspätet ausführen, wird sie entweder wirkungslos sein oder ihr Effekt wird sich verringern.“
Die falsche Entscheidung kann zu Katastrophen führen
In derselben Rede erläuterte Imam Chamenei diese Eigenschaft der Rechtzeitigkeit in Bezug auf Aschura und dessen Folgen. Er sprach über die Bewegung der Reuigen. Diese Reue hätte vermieden werden können, hätten die Reuenden zur richtigen Zeit die richtige Entscheidung getroffen und ihren Imam unterstützt, als er nach ihnen rief. Imam Chamenei sagte hierzu:
„Ein Beispiel sind die Tawwabin. Sie traten nicht hervor, als sie es sollten, nämlich zu Aschura. Sie traten hervor, als es zu spät war. Ein weiteres Beispiel ist der Aufstand der Leute von Medina unter der Führung von Abdullah ibn Hanzalah. Sie erhoben sich gegen Yazid, organisierten einen Aufstand und verjagten den Herrscher von Medina, aber es war zu spät. Sie hätten darüber nachdenken müssen, als sie hörten, dass Hussain ibn Ali (a.) Medina verlassen hat, aber sie taten es nicht. Sie haben zu spät daran gedacht. Sie haben erst ein Jahr nach dem Ereignis daran gedacht. Das Resultat lesen wir in der Geschichte: Sie wurden ermordet, ausgelöscht und endeten, ohne etwas erreicht zu haben. Die Dinge müssen zur richtigen Zeit ausgeführt werden. Wenn wir die Aufgaben zur richtigen Zeit ausführen möchten, müssen wir über die Aufgaben selbst Kenntnis haben.“
Letztlich führte die Vielzahl an falschen und verspäteten Entscheidungen der Menschen zu einer Katastrophe in der Umma. Nicht nur Aschura selbst, sondern auch der spätere Angriff Yazids auf Medina und auf Mekka, bei dem sogar die Kaaba, das Haus Gottes, mit Katapulten beschossen und in Brand gesetzt wurde, waren Folgen der Entfernung der Menschen von ihrem Imam der Zeit im entscheidenden Augenblick. All diese Ereignisse hätten vermieden werden können, wenn die Muslime im entscheidenden Moment nicht den Tyrannen-Herrscher gefürchtet und den Imam ihrer Zeit im Stich gelassen hätten.
Zeinab dagegen wusste auch nach Aschura, in der Gefangenschaft, stets, wie sie sich gegenüber den Mitgefangenen ihrer Familie und gegenüber den Peinigern der Feinde verhalten musste. Selbst in dieser verheerenden Situation ist sie trotz körperlicher und psychischer Drangsalen und Folter nicht eingeknickt und hat die Botschaft Imam Husseins in der islamischen Welt verbreitet, wohlgemerkt als verschleierte Frau.
Der Kampf Zeinabs wird heute von uns fortgeführt
Für uns, die wir uns zu ihren Anhängern zählen, bedeutet dies, dass wir uns als Männer und Frauen ein Vorbild an Zeinab nehmen. Wir müssen stets wachsam sein, stets einen Überblick über unsere Lage und die Lage der Muslime in der Welt haben, darüber, was der Anführer der Muslime und seine Getreuen uns mitteilen, was sie tun, und was sie nicht tun.
Es genügt nicht, sich mit der Anhängerschaft und Liebe zu den Heiligkeiten zu begnügen und auf Gottes Gnade zu hoffen, ohne bereit zu sein Opfer zu bringen und aktiv zu werden. Die Bewegung Imam Husseins und der heiligen Zeinab schreitet stets fort. Insbesondere in der heutigen Zeit gibt es einen Yazid, der einen Hussein verfolgt und nach dessen Leben und dessen Religion er trachtet. Jeder Einzelne von uns muss in diesem andauernden Kampf seine Aufgabe auf der Seite seines Imams und dessen Vertreter erkennen und ausführen.
Die reine Erkenntnis reicht nicht. Es müssen auch Taten folgen. Es reicht nicht zu wissen, dass die USA böse und feindlich sind, man muss hieraus auch Konsequenzen ziehen, und z. B. bestimmte US-amerikanische Produkte boykottieren. Das ist das Mindeste, was jeder nach dieser Erkenntnis tun kann. Für viele mag ein solcher Boykott ausreichend sein, für andere ist dies nur ein erster Schritt. Diese müssen nachforschen, was sie noch tun können, um ihre Aufgabe zu erfüllen.
Selbstläuterung bereitet den Boden für die richtige Erkenntnis
Insbesondere in Zeiten der Zwietracht (Fitna) muss jeder Gläubige wissen, was er zu tun hat – erstens, um nicht vom gerechten Weg abzuweichen, zweitens, um seinen Glauben zu stärken, und drittens, um seinen Imam zu unterstützen. Junge Libanesen, Iraner, Iraker, Afghanen, Jemeniten und viele andere gehen in der heutigen Zeit mit gutem Vorbild voran. Unsereins in Deutschland hat sicherlich andere Aufgaben, als in ein Kriegsgebiet zu ziehen und sein Leben und seine Gesundheit zu opfern. Diese anderen Aufgaben müssen erkannt und erfüllt werden, insbesondere in den Reihen der Eliten, also der Gelehrten, Akademiker und Gebildeten. Hierzu gehört im Rahmen der stetigen Selbstläuterung das Bereiten eines Bodens, der es erleichtert, die richtigen Erkenntnisse zu erlangen. Folglich wird man in der Lage sein, die richtigen Konsequenzen auf der Handlungsebene zu ziehen und diese schließlich nach dem Vorbild Zeinabs zur richtigen Zeit umsetzen.