Kinder tun oft Dinge, die Erwachsene verlernt haben. Wenn sie auf keinem echten Pferd reiten können, reicht ihnen die Phantasie. Dann malen sich Kinder aus, wie das wohl wäre und nehmen einen Besenstiel zur Hand. Besonders gern phantasieren Kinder darüber, was sie mal werden wollen, zum Beispiel Polizist. Viele Kinder haben blaue Spielzeugautos, spielen Räuber und Gendarm oder verkleiden sich zu Fasching mit einer Uniform.
Kostüme zogen sich vor gut zwei Jahren auch ein paar muslimische Männer in Wuppertal an. Sie streiften sich orangefarbene Westen über, auf manchen prangte der Aufdruck „Sharia Police“. Scharia ist die arabische Bezeichnung für islamisches Recht. Es beruht auf dem Koran. Der ist das heilige Buch der Muslime, so wie die Bibel das heilige Buch der Christen ist.
Als die Scharia vor über 1000 Jahren aufgeschrieben wurde, zogen die Menschen auf der arabischen Halbinsel mit ihren Stämmen durch die Wüste. Sie hatten keine Häuser, sondern Zelte, die sie immer woanders aufschlugen. Das Leben war sehr hart. Damit die Menschen in dieser lebensfeindlichen Natur überleben konnten, gaben sie sich strenge Regeln. Alle mussten außerdem dem Stammesoberhaupt gehorchen. Wer das nicht tat, wurde verstoßen.
Einige Muslime finden, dass man sich auch heute noch an die alten Gesetze halten muss. Sie legen sie wörtlich aus, das heißt so, wie sie aufgeschrieben wurden und vielleicht vor 1000 Jahren gemeint waren. Den meisten Menschen kommt die Scharia dagegen unmenschlich und altmodisch vor. Zu den Strafen zählen dort nämlich Peitschenhiebe und Steinigungen.
Die meisten Menschen finden die Scharia auch ungerecht, weil sie Frauen schlechter behandelt als Männer. So dürfen sich Mädchen nicht selbst aussuchen, mit wem sie zusammen leben möchten. Die Scharia schreibt vor, dass sie sehr jung verheiratet werden sollen. Männer dürfen sich dagegen gleich mehrere Frauen aussuchen.
In Wuppertal zogen die „Scharia-Polizisten“ in Spielkasinos und Kneipen. Dort sprachen sie junge Muslime an und erinnerten sie daran, dass die Scharia ihnen verbietet, Alkohol zu trinken oder Glücksspiele zu spielen. Der Aufritt der Männer mit den orangefarbenen Westen sorgte für großen Wirbel, denn die Scharia gilt in Deutschland nicht. Außerdem darf nicht jeder Polizei spielen.
Die Erwachsenen reden dann immer davon, dass in einem Rechtsstaat das Gewaltmonopol herrscht. Aber was heißt das?
In dem Begriff Monopol steckt das griechische Wort monos. Es bedeutet allein. Gewaltmonopol meint, dass allein richtige Polizisten dafür sorgen dürfen, dass Gesetze eingehalten werden. Notfalls auch mit Gewalt. Sie dürfen zum Beispiel Autofahrer kontrollieren, die zu schnell fahren oder einem Menschen Handschellen anlegen, um ihn gegen seinen Willen festzuhalten.
Polizisten haben sehr viel Macht, sie sind sogar bewaffnet. Auch für sie gelten deshalb strenge Regeln und sie können bestraft werden, wenn sie dagegen verstoßen. In einem Rechtsstaat soll nämlich jeder Mensch – auch ein Verbrecher – darauf vertrauen können, dass sich der Staat an die Gesetze hält. Und zum Staat zählt auch die Polizei. Sie darf nicht willkürlich handeln, also wie sie will, sondern ihr Handeln muss voraussehbar sein.
Wenn jeder seine Rechte selbst durchsetzen dürfte, gäbe es Schießereien wie in Cowboyfilmen. Anstatt zur Pistole zu greifen, sollen die Menschen in einem Rechtsstaat aber zur Polizei gehen, wenn ihnen Unrecht geschehen ist. Wie ein Verbrecher zu bestrafen ist, entscheidet dann ein Richter.
Nur ausnahmsweise dürfen auch ganz normale Menschen Polizei spielen. Das gilt aber nur dann, wenn die Polizei nicht rechtzeitig zur Hilfe eilen kann. Wenn mich plötzlich ein Räuber überfällt, darf ich mich dagegen wehren. Man nennt das Notwehr. Ich darf ihn schubsen, um nicht selbst zu fallen und bestohlen zu werden. Und wenn ich zufällig beobachte, wie jemand einem anderen etwas klaut, darf ich den Dieb festhalten, bis die Polizei eintrifft.
Manche Menschen meinen, die Polizei würde sie nicht genug beschützen. Ähnlich wie die „Scharia-Polizisten“ schließen sie sich in Gruppen zusammen und ziehen sich die gleiche Kleidung an. Meistens sieht sie ziemlich altmodisch aus. Man nennt diese Gruppen Bürgerwehren. Ursprünglich kommen sie aus dem 19. Jahrhundert, als es für Bürger mal eine Pflicht gab, ihre Stadt mit Waffen zu verteidigen. Heutzutage ist es aber die Aufgabe des Staates, die Gesetze zu verteidigen. Wenn die Bürger nicht mehr gut genug beschützt sind, braucht es deshalb mehr Polizisten und keine Bürgerwehr, die sich als Polizei ausgibt.
Manchmal ist das aber schon passiert. Da liefen Bürgerwehren auf und ab, als würden sie nur darauf warten, das etwas geschieht. Es gab auch schon Fälle, in denen Menschen, statt der Polizei eine Bürgerwehr zur Hilfe riefen. Die schreitet dann nicht mehr nur zufällig ein, sondern nimmt anstelle der Polizei Aufgaben des Staates wahr. Das ist gefährlich, denn häufig halten sich Bürgerwehren nicht an die Gesetze. Sie kennen sie vielleicht noch nicht einmal.
Menschen, die sich in Bürgerwehren zusammentun, haben dafür außerdem oft politische Gründe. So bildeten sich zum Beispiel einige solcher Gruppen, nachdem im Sommer vor drei Jahren sehr viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren. Viele der Menschen, die sich damals organisierten, haben etwas gegen Menschen, die anders aussehen. Sie gehen vor allem gegen Ausländer vor, weil sie meinen, die seien krimineller als Deutsche.
Polizisten müssen dagegen alle Menschen gleich behandeln und dafür sorgen, dass sich alle an die Regeln halten. Dazu müssen sie die Gesetze kennen – auch die, die für die Polizei selbst gelten. Das haben sie schließlich gelernt und darauf sollen die Bürger in einem Rechtsstaat vertrauen können. Dagegen sollen die Menschen nicht befürchten müssen, dass sich jeder zum Sheriff aufspielen kann. Wir leben ja schließlich nicht im Wilden Westen.