Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat an die Muslimverbände appelliert, stärker gegen antisemitische Tendenzen in Moscheegemeinden vorzugehen. „Repräsentanten der Muslime haben sich durchaus gegen Antisemitismus positioniert“, sagte der Präsident des Zentralrates, Josef Schuster, der Zeitung „Die Welt“. Das Problem aber sei, dass die muslimischen Verbände meist nur einen kleinen Teil der Moscheegemeinden erreichten. „Und hier muss man leider sehen, dass in vielen dieser Moscheegemeinden weiter nicht nur nicht gegen Antisemitismus vorgegangen wird, sondern weiterhin Vorbehalte gegen Juden und gegen Israel verbreitet werden und von Imamen entsprechend gepredigt wird.“ Schuster forderte: „Hier sind die muslimischen Verbände aufgerufen, sehr klar einzuwirken und deutlich zu machen, welcher Wertekodex in Deutschland gilt und für alle, die in diesem Land leben wollen, bindende Voraussetzung ist.“
Bei Demonstrationen arabischer Gruppen in Berlin waren vergangenes Wochenende israelische Flaggen verbrannt und antisemitische Parolen gerufen worden. Auslöser für die pro-palästinensischen Demonstrationen war die vom amerikanischen Präsidenten Donald Trump verkündete Anerkennung Jerusalems als alleinige Hauptstadt Israels.
„Man darf rote Linien nicht überschreiten. Und das Verbrennen von Fahnen ist eine solche Linie“, sagte der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, der „Berliner Zeitung“. „Politische Bildung heißt, dass wir reflektieren, welche Verantwortung Deutschland gegenüber dem Staat Israel hat – vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Deutschen Verantwortung tragen für sechs Millionen während des Nationalsozialismus ermordete Juden.“ Krüger weiter: „Deshalb kann eine Politik nicht an der Tagesordnung sein, die Israel infrage stellt und die Flagge Israels in irgendeiner Weise diskreditiert.“
Verunsicherung durch AfD
Die wachsende Verunsicherung in den jüdischen Gemeinden sei aber auch auf das Auftreten der AfD zurückzuführen. Ansichten wie die von Björn Höcke zum Holocaust-Mahnmal in Berlin und andere „eindeutig antijüdische Verlautbarungen“ von Vertretern der AfD erzeugten ein „Gefühl der Verunsicherung, denn es werden da ganz klar rote Linien überschritten“, sagte der Zentralratsvorsitzende.
Schuster stufte den Antisemitismus von rechtsextremer Seite als mindestens so gefährlich ein wie den von muslimischer Seite. „Die meisten Übergriffe kommen tatsächlich von Rechtsextremisten, die meisten antijüdischen Demonstrationen und lautesten antisemitischen Verunglimpfungen kommen seit einiger Zeit von muslimischer Seite“, analysierte Schuster. Auch aus dieser Richtung kämen allerdings Gewalttaten vor.
Der Zentralratspräsident bekräftigte seine Forderung nach Ernennung eines Antisemitismusbeauftragten in der nächsten Bundesregierung. Zwar würden in den Integrationskursen für Migranten alle Formen von Antisemitismus sowie die deutsche Geschichte thematisiert, doch abends schauten sich viele Teilnehmer dann arabische Fernsehsender wie Al-Dschasira an, sodass „alles, was in den Kursen versucht wurde, wieder zunichte gemacht wird“.