Etwas verloren liegt der kleine Kuppelbau der Nuur-Moschee neben einer Gärtnerei und einem Sportplatz an einer vierspurigen Straße. Draußen rauscht der Frankfurter Verkehr, innen herrscht Stille, die nur vom leisen Gespräch einer Gruppe junger Männer durchbrochen wird. Jeden Montag trifft sich hier die männliche Jugendgruppe der Gemeinde, um die vorangegangene Freitagspredigt des Imams zu besprechen. Die Jugendlichen gehören zur Ahmadiyya Muslim-Gemeinschaft, einer Gruppe, die als besonders gut integriert gilt.
Obwohl die Ahmadiyya-Gemeinde eine der größten und ältesten in Deutschland ist, nimmt man sie in der Öffentlichkeit kaum wahr. Wenig Skandale, kaum radikale Prediger. „Liebe für alle, Hass für keinen“, lautet das Motto der Gemeinde, das viele Mitglieder auch auf ihrer Kleidung tragen. „Gewalt im Namen des Islams dient immer nur den Machtinteressen einzelner und ist eine Irrlehre“, sagt Naweed Ahmad. Terror hätte mit seiner Religion nichts zu tun. Ahmad ist einer der Organisatoren des Gesprächskreises und auch sonst ein engagiertes Gemeindemitglied. Der Jura-Student sitzt im Ortsbeirat, ist SPD-Mitglied und engagiert sich für Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern. Routiniert plaziert er in seinen Sätzen Botschaften wie: „Unsere Leitkultur steht im Grundgesetz“ oder „Der Islam und die Muslime gehören seit über 100 Jahren zu Deutschland.“
Heikler Punkt: Die Kopftuch-Debatte
In manchen Punkten ähneln sich die Einstellungen der jungen Muslime mit denen deutscher Konservativer, zum Beispiel beim Burka-Verbot. Die Pflicht zur Vollverschleierung lasse sich nicht aus dem Koran ableiten, sagt Mohammed Luqman. Auch eine Obergrenze für Flüchtlinge halten einige Mitglieder der Gruppe zumindest für denkbar. Allerdings sei es für diese Debatte zu früh, weil die Aufnahmekapazität Deutschlands noch lange nicht erreicht sei. Ein Thema, bei dem die Muslime sich oft missverstanden fühlen, ist die Kopftuch-Debatte. Viele ihrer Freundinnen und Ehefrauen sind angehende Lehrerinnen, die auch in der Schule das Kopftuch tragen wollen. „Es ist schade, wenn durch ein Verbot eine tolle Lehrerin ihrem Beruf nicht nachgehen kann“, sagt Ahmad. Die gesamte Debatte um das Kopftuch hält die Gruppe für übertrieben. Schließlich sei auch die Heilige Maria auf fast allen Bildern mit Kopftuch dargestellt. Warum sollte das für eine Lehrerin nicht möglich sein?
Ein weiteres Thema, mit dem die jungen Männer anecken, ist der Handschlag zur Begrüßung einer Frau. „Normalerweise machen wir das nicht“, sagt er. „Wenn eine deutsche Frau uns aber die Hand schüttelt, ist das für uns kein Problem.“
Die Ahmadiyya Muslimgemeinschaft ist eine islamische Reformbewegung, die sich einerseits auf den Koran und gleichzeitig auf die Lehre des Religionsgründers Mirza Ghulam Ahmad beruft. Dabei werden sie von einem spirituellen Oberhaupt geführt, das sich selbst „Kalif“ nennt. Von anderen muslimischen Gemeinschaften wird Ahmadyya deswegen häufig als Sekte bezeichnet.
Es gibt Erklärungsbedarf
Da die Mehrheit der Muslime, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, sunnitisch ist, stehen die Ahmadiyya-Muslime in einen Konflikt. Einerseits sei man in der Integration von Flüchtlingen engagiert, sagt Naweed Ahmad. Schließlich seien sie selbst Nachkommen von Flüchtlingen, die in Deutschland Schutz gefunden haben. Deswegen wüssten sie, wie wichtig es sei, Menschen willkommen zu heißen. Andererseits lehnen viele Flüchtlinge die Glaubensauffassung der Ahmadiyya-Muslime ab. Naweed Ahmad drückt diesen inneren Konflikt diplomatisch aus: „Wir sehen das auch als Ansporn, unseren Glauben besser zu erklären.“ Trotzdem erwarte man von den Neuankömmlingen auch, dass sie sich in Deutschland integrieren und an die Regeln halten. Sie hätten das schließlich auch immer getan.
Umso mehr nerve es sie, dass sie sich ständig vom Terrorismus abgrenzen müssen, sagt Rastagar Munir. Wenn er über die Lage der Muslime in Deutschland spricht, redet er immer schneller und schneller. Manche wollten es einfach nicht verstehen, dass Muslime nicht immer auch Terroristen sind, sagt er. „Das tut weh.“ Prinzipiell sei man es bereits gewöhnt, dass der Ton vor großen Wahlen immer rauher werde. Doch mit der AfD habe das eine neue Form erreicht. Deswegen halten die jungen Männer die Partei auch für nicht wählbar. Prinzipiell sei man aber offen für die Programme aller anderen Parteien. Zur Wahl würden sie alle gehen, sagt er. „Wer die Möglichkeit hat über seine Führung abzustimmen, sollte das auch tun“, sagt Munir. So stehe es auch im Koran.
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