Die Türkei will eine muslimisch-moralische Führungsmacht sein, und sie hat inzwischen auch die Instrumente, um diesen Anspruch zu demonstrieren. Besonders deutlich zeigt sich das dieser Tage in Südostasien. Kein Staat hat die jüngste Welle von Gewalttaten gegen die muslimische Minderheit der Rohingya in Burma früher und deutlicher kritisiert als die Türkei. Als der wahlkämpfende deutsche Außenminister Sigmar Gabriel in einer Stellungnahme seine „große Sorge“ um die Ereignisse in Burma ausdrückte, hatten der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan, sein ausführender Regierungschef Binali Yildirim sowie Außenminister Mevlüt Cavusoglu das Wüten buddhistischer Extremisten und staatlicher Sicherheitskräfte gegen die Rohingya schon dutzendfach öffentlich verdammt. Cavusoglu sowie Emine und Bilal Erdogan (die Ehefrau und der jüngste Sohn des Staatspräsidenten), reisten vergangene Woche nach Bangladesch, wohin zehntausende oder sogar hunderttausende Rohingya vor der Gewalt in ihrer Heimat geflohen sind. Für Emine Erdogan war es schon der zweite Besuch bei den Rohingya. Sie hatte 2012 als Begleitung des damaligen türkischen Außenministers Burma und sogar die für Ausländer kaum zugängliche Region Arakan besucht, wo die Bevölkerungsgruppe der Rohingya lebt.
In Burma und vor allem in Bangladesch kommen mehrere Instrumente zum Einsatz, mit denen die Türkei die größte Not lindern helfen und zugleich moralische Präsenz zeigen will. Da ist zum einen die türkische Entwicklungshilfeorganisation Tika, die vor einigen Tagen mit der Lieferung von Hilfsgütern für den täglichen Bedarf in die Region begonnen hat. Zehntausend Tonnen Soforthilfe, vor allem Reis, getrockneter Fisch, Kleidung und Arzneien, sollen laut Erdogan über Tika in das Krisengebiet geliefert werden. Tika wurde 1992 mit dem Ziel gegründet, in den fünf früheren Sowjetrepubliken Zentralasiens, von denen vier eine turksprachige Mehrheit haben, türkische Hegemonialambitionen zu unterstützen. Bei diesen Versuchen war die Türkei zwar Russland und China eindeutig unterlegen, doch ist ihre Entwicklungshilfeorganisation inzwischen mit 50 Repräsentanzen in Afrika, Asien und Europa längst über ihr ursprüngliches Operationsgebiet hinausgewachsen.