Es ist fast schon traurige Routine: Dschihadisten schlagen zu, Machthaber Abd al Fattah al Sisi trifft sich mit den Spitzen des Sicherheitsapparats, schwört Rache, kündigt Härte im Kampf gegen den Terrorismus an. Das ägyptische Regime reagiert so, wie es seiner Natur entspricht – mit mehr Gewalt und mit mehr Repression. Dann kommt der nächste Anschlag.
Auch nach dem Terrorangriff auf eine Moschee auf der Sinai-Halbinsel vom Freitag rief Sisi den Verteidigungsminister, den Innenminister und die Chefs von Geheimdienst und Militärgeheimdienst zu einer Krisensitzung zusammen. Danach wandte er sich in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung. Mit „roher Gewalt“ werde der Staat zurückschlagen, sagt er. Die Täter würden nicht ungestraft davonkommen. Wenige Stunden später flog die Luftwaffe Angriffe. Die Armee teilte mit, es seien Fahrzeuge zerstört worden, welche die Terroristen für den Anschlag genutzt hätten.
Alles deutet auf den „Islamischen Staat“
Der Anschlag vom Freitag war der vielleicht blutigste, den Ägypten in seiner jüngeren Vergangenheit erlebt hat. Nach den jüngsten Zahlen wurden 305 Menschen getötet, unter ihnen 27 Kinder. Sie hatten sich in einer Moschee in dem Ort Bir al Abd im Norden des Sinais zum Freitagsgebet in der Al-Rawda-Moschee versammelt. Aus den Zeugenaussagen und dem Bericht der Staatsanwaltschaft fügt sich ein schreckliches Bild, das die Brutalität erahnen lässt, mit der die Angreifer zu Werke gingen. Ein Selbstmordattentäter zündete demnach am Eingang seinen Sprengstoffgürtel. Zwei bis drei Dutzend Bewaffnete, die das Gebetshaus umstellt hatten, eröffneten das Feuer auf die panische Menschenmenge. Fenster zerbarsten im Kugelhagel. „Leichen stapelten sich über mir“, sagte ein Augenzeuge. „Auf jeden, bei dem sie sich nicht sicher waren, schossen sie noch einmal“, sagte ein anderer. Nach anderen Berichten setzten die Angreifer mehrere Fahrzeuge in Brand, um den Rettungseinsatz zu behindern, und beschossen auch Rettungswagen.
Alles deutete auf die Dschihadistengruppe Ansar Bait al Maqdis hin, die sich 2014 zur „Provinz Sinai“ des „Islamischen Staates“ (IS) erklärt hatte. Die Gruppe treibt seit vielen Jahren auf dem Sinai ihr Unwesen und steckt hinter mehreren blutigen Anschlägen. Sie hat eine ähnlich menschenverachtende Ideologie, wie sie der IS verfolgt, für den all diejenigen legitime Ziele sind, die seine Weltsicht nicht teilen – auch muslimische Zivilisten. Die attackierte Moschee stand in Verbindung mit einem Orden der Sufis. Der Sufismus ist eine mystische Richtung im Islam, in den Augen der Dschihadisten sind deren Anhänger indessen „Abtrünnige“ vom Glauben – und damit vogelfrei.
Der Angriff auf die Al-Rawda-Moschee hatte sich abgezeichnet. In der ägyptischen Presse wurde am Wochenende berichtet, IS-Terroristen seien schon vor einem Monat in den Ort marschiert, hätten den Einwohnern gedroht und gefordert, sie sollten weder Sufi-Rituale praktizieren noch deren religiöse Führer als Gäste empfangen. Außerdem sollten die Leute nicht mit den Sicherheitsbehörden kooperieren, eine örtliche Salzfabrik schließen und das Rauchen unterlassen. Es sei eine Bürgerwehr aufgestellt worden, hieß es weiter. Die Propaganda der ägyptischen IS-Gruppe hat den Sufis gedroht, schon in der Vergangenheit haben Dschihadisten religiöse Führer enthauptet und Schreine angegriffen.