AhlolBayt News Agency (ABNA)

source : Islam.de
Montag

13 November 2017

06:50:29
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Saudi-Arabien

Zukunftsfähig um jeden Preis

Saudi-Arabiens Spagat zwischen Modernisierung und Islam funktioniert nicht mehr. Um sein Land auf ein neues Fundament zu stellen, bricht Kronprinz Muhammad Bin Salman mit Traditionen.

Kronprinz Muhammad Bin Salman nimmt in diesen Tagen in Saudi-Arabien die Zügel fest in seine Hand. Er verfolgt dabei das Ziel, das Königreich auf ein neues Fundament zu stellen. Im Ausland wird das nicht ohne Sorge betrachtet. So sagte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian, für Paris sei die Lage im Libanon „am besorgniserregendsten“, das Land müsse schnell zu politischer Stabilität zurückfinden. Die Spannungen eskalierten am vergangenen Wochenende, als der libanesische Ministerpräsident Saad al Hariri in Riad nach einem Treffen mit dem Kronprinzen seinen Rücktritt bekanntgab und den Schritt mit einer Bedrohung durch Iran und die schiitische Hizbullah begründete. Am Donnerstag rief Saudi-Arabien seine Bürger auf, den Libanon zu verlassen, was die Befürchtungen verstärkt hat, dass der Libanon zu einem Schauplatz für die Auseinandersetzung zwischen Saudi-Arabien und Iran werden könnte.

Auch der amerikanische Außenminister Rex Tillerson drückte am Freitag „Besorgnis“ aus, allerdings zu den innenpolitischen Entwicklungen in Saudi-Arabien. Denn am Tag, an dem Hariri zurücktrat, begann in Saudi-Arabien eine Anti-Korruptions-Kampagne mit Verhaftungen prominenter Prinzen und Geschäftsleute, wie es sie in der Geschichte des Königreichs noch nicht gegeben hat. Tillerson sagte, die zahlreichen Festnahmen gäben Anlass zu einer gewissen „Besorgnis“. Es müsse nun abgewartet werden, wie der weitere Verlauf sei.

Erste Einzelheiten zu den Verhaftungen teilte der saudische Generalstaatsanwalt Saud al Mojeb mit. Demzufolge wurden seit dem vergangenen Sonntag 208 Personen zur Befragung vorgeladen und in Untersuchungshaft genommen; von ihnen wurden aufgrund fehlender Anhaltspunkte sieben wieder auf freien Fuß gesetzt, heißt es in einer schriftlichen Mitteilung Mojebs, der auch der Anti-Korruptions-Kommission angehört, deren Gründung am vergangenen Samstag bekanntgegeben worden war.

Den bisher ermittelten Schaden, der in den vergangenen Jahrzehnten durch Korruption und Veruntreuung entstanden sei, gibt er mit 100 Milliarden Dollar an. Die Beweise dafür, die in den vergangenen drei Jahren zusammengetragen worden sind, seien „sehr stark“. Daher habe die Anti-Korruptions-Behörde veranlasst, die privaten Bankkonten der Verdächtigten einzufrieren. Die saudische Regierung unternehme alles, um die Wirtschaftsabläufe nicht zu beeinträchtigen. Verhandelt werde vor normalen Gerichten.

In der saudischen Führung ist die Einsicht gereift, dass das Land, so wie es bisher funktioniert hat, nicht für die Zukunft gerüstet ist. Die letzte große Neuausrichtung Saudi-Arabiens hatte König Fahd vorgenommen, der 1982 den Thron bestieg und bis zu seinem Tod 2005 regierte. Fahd, der das Leben genoss und sich gerne in Europa aufhielt, richtete das Land auf einen Spagat aus, der auf zwei Säulen ruhte: Modernisierung und Islam. Zum einen gilt er in Saudi-Arabien als der „Vater der Moderne“. Denn er nutzte die sprudelnden Öleinnahmen für einen beispiellosen wirtschaftlichen Entwicklungsschub. Mehrere tausend Prinzen aus dem Hause Saud stiegen in Unternehmen ein, die großen Händlerfamilien profitierten von staatlichen Aufträgen und von dem Engagement internationaler Unternehmen in Saudi-Arabien. Die Folge war, dass eine – für einen Ölstaat relativ diversifizierte – Industriestruktur entstand und eine neue Mittelschicht heranwuchs. Die Petrodollars flossen reichlich, es fehlten aber ein geordneter rechtlicher Rahmen und Transparenz.