AhlolBayt News Agency (ABNA)

source : spiegel
Freitag

27 Oktober 2017

16:01:30
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Trumps brutales Kalkül

Mehrere US-Senatoren attackieren den eigenen Präsidenten. Trotzdem könnte Donald Trump am Ende als großer Sieger dastehen. Dafür gibt es drei Gründe.

"Ich bin ziemlich intelligent", sagt Donald Trump. Da lacht der aufgeklärte Europäer erst mal auf. Aber Trump hat recht: Er ist intelligent, und er ist skrupellos. Genau diese Mischung ist Teil seines Erfolgsrezepts.

Trump hat die Wahl gewonnen, weil er intelligent genug war, zu erkennen, dass es nicht nur unter Republikanern, sondern auch unter Wählern der Demokraten eine tiefe Enttäuschung über die Politik in Washington gibt. Er war skrupellos genug, dieses Gefühl mit populistischen Tönen gegen die Eliten und mit einer aggressiv-nationalistischen Agenda in Wählerstimmen umzumünzen.

Die Mischung aus Intelligenz und Skrupellosigkeit könnte Trump jetzt wieder zum Erfolg verhelfen. Seine Partei, die Republikaner, sind tief gespalten. Etliche Republikaner im Kongress sind angewidert von Trumps Politikstil, von seiner Verachtung für Anstand und demokratische Prinzipien. Aber der Aufstand, den einige moderate Senatoren wie Jeff Flake oder Bob Corker in dieser Woche angezettelt haben, findet bislang kaum Widerhall.

Warum nicht? Drei Gründe sprechen dafür, dass Trump am Ende dieses Jahres als uneingeschränkter Herrscher bei den Republikanern dastehen könnte:

  • 1. Trump erfüllt einen republikanischen Traum: Die große Steuerreform ist das wichtigste Wahlversprechen der Partei. Nun stehen die Republikaner kurz davor, dieses Ziel zu erreichen. Sie haben bislang noch nicht viele Erfolge vorzuweisen, die Steuerreform soll endlich klappen. Deshalb wollen die meisten Senatoren und Abgeordneten des Repräsentantenhauses keinen grundsätzlichen Streit mit Trump anzetteln. Ein Risiko bleibt die Debatte um die Details der Gegenfinanzierung der Reform. Aber immer deutlicher wird, dass Trump eine echte Chance hat, hier einen großen Sieg einzufahren. Selbst Trump-Gegner wie Flake oder Corker könnten im Senat für das Projekt stimmen, schließlich haben auch sie ihren Wählern Steuersenkungen versprochen. Im Repräsentantenhaus konnte Trump am Donnerstag eine wichtige Vor-Abstimmung gewinnen. Die Sache ging mit 216 zu 212 Stimmen denkbar knapp aus, Trump ist einem Erfolg trotzdem wieder einen Schritt nähergekommen. "Steuersenkungen sind der Kitt, der die Partei zusammenhält", urteilt die "New York Times".
  • 2. Trump trifft den Ton der Basis: Die Zustimmungswerte für Trump liegen bei kläglichen 30 Prozent. Aber an der Basis in Texas, Tennessee oder Florida wird er als Held gefeiert, mehr als 80 Prozent der Anhänger der Partei stehen laut Umfragen hinter ihm. Dabei geht es den Mitgliedern der Republikaner gar nicht so sehr darum, was er bislang erreicht oder nicht erreicht hat. Die Unterstützung für Trump entspringt viel mehr einem starken Gefühl: Trump kämpft gegen das Establishment in Washington, er rackert sich ab. Der Präsident selbst bedient dieses Gefühl mit einer geschickten Kommunikationsstrategie: Er ist dauerpräsent in Interviews (vor allem bei "Fox News"), lobt sich via Twitter selbst, bejubelt die hohen Aktienkurse an der Wall Street, die sinkende Arbeitslosenquote, preist sie als Belege für seinen vermeintlichen Erfolg. Dass die Arbeitslosigkeit jetzt auch unter jedem anderen Präsidenten gesunken wäre, verschweigt der Meister des Egomarketings tunlichst - ebenso wie die Tatsache, dass er seit Amtsantritt bereits mehr als 70 Mal auf dem Golfplatz war. Für seine Fans gilt: "Right or wrong, my President." Sie würden Trump wohl sogar verzeihen, wenn die Steuerreform scheitert. Er könnte die Schuld dafür dann einfach auf seine Gegner in Washington schieben.
  • 3. Trump erzeugt eine Kultur der Angst: Trumps brutale verbale Angriffe auf Kritiker zeigen offenbar Wirkung. Selbst republikanische Kongressabgeordnete, die sich früher kritisch über Trump geäußert haben, geben sich inzwischen zahm und halten sich zurück. In Interviews wird jedes Wort vermieden, das wie Kritik am Präsidenten erscheinen könnte - offenbar aus Angst, der Herrscher im Weißen Haus könnte mit einer Twitter-Tirade zurückschlagen. Bei einem Mittagessen mit republikanischen Senatoren erhielt Trump diese Woche sogar "Standing Ovations". Die Abgeordneten wissen nur zu genau, wie beliebt Trump und seine nationalistische Agenda an der Basis sind, wenn sie sich gegen den Präsidenten stellen, droht ihnen massiver Ärger mit der eigenen Mitgliedschaft. Trump befeuert diese Stimmung zusätzlich, indem er bei der parteiinternen Vorauswahl von Kandidaten für die Parlamentswahlen 2018 nur solche Kandidaten unterstützt, die klar auf seiner Seite stehen.