„Nein, lass mal, ich weiß schon, warum ihr hier marschiert“, sagte der Herr in der Delmenhorster Innenstadt, als ihm die junge Muslima einen Infoflyer[1] über Imam Hussein reichen wollte. „Warum denn?“, fragte sie überrascht. „Weil wir zu viele Ausländer hier haben“, antwortete er.
Etwa achtzig Teilnehmer zogen im Rahmen des fünften Friedensmarsches zu Aschura schweigend durch die Delmenhorster Innenstadt. Der Regen und die Zugausfälle nach dem Sturm Xavier hielt die Familien mit Kindern und Kinderwagen nicht davon ab, die Aufmerksamkeit der Delmenhorster auf das Ereignis von Aschura zu lenken und auf dessen Bedeutung für unsere Zeit.
Der Schweigemarsch begann mit einer Rede von Ali Chaukair, die er mit der Wichtigkeit des öffentlichen Eintretens von Muslimen für den Islam eröffnete:
„Seit mehreren Jahren versammeln wir uns immer am ersten Samstag nach Aschura, um mit der Botschaft Imam Husseins an die Öffentlichkeit zu treten. Eine Öffentlichkeit, mit der wir leider zu wenig verbunden sind, die uns leider zu wenig kennt, allenfalls vom Hörensagen, aus dem Internet, der Presse, dem Fernsehen oder dem Radio. Und das Bild, das unseren Mitbürgern dort von uns und unserer Religion gezeigt wird, ist ein hässliches Bild. Auch wir würden eine solche Religion ablehnen und uns vor ihr fürchten, wenn wir es nicht besser wüssten. Wir wissen es aber besser, umso wichtiger ist es, dass wir der Öffentlichkeit das wahre Bild von unserer Religion und von uns selbst zeigen.“
Er schloss die Anfangsrede mit der Bedeutung von Aschura für alle Menschen:
„Die Botschaft von Aschura kann nicht nur eine gläubige Gemeinschaft stärken, sie kann Gläubige und Nichtgläubige unterschiedlicher Religionen, Konfessionen und Herkünfte auf einen gemeinsamen Nenner bringen, sowohl in einer Stadt wie Delmenhorst als auch in einem Land wie Deutschland als auch in der gesamten Welt. Der gemeinsame Nenner ist: Einsatz für Gerechtigkeit, Einsatz für Liebe, Einsatz für gegenseitigen Respekt und Einsatz für wahre Freiheit.“
Während des anschließenden Marsches hielten die Teilnehmer Plakate rund um Imam Hussein und Zainab hoch, einige verteilten Infoflyer an die interessierten Passanten. Vier von fünf angebotenen Flyern wurden dankbar angenommen. Wegen der anstehenden Landtagswahlen in Niedersachsen führte der Zug an vielen Parteiständen vorbei und so kam es zu Gesprächen über Imam Hussein und seine Friedensbewegung mit Lokalpolitikern.
In der Abschlussrede betonte Huseyin Özoguz, dass Frieden mehr bedeutet als die Abwesenheit von Krieg. Es sei kein Frieden, wenn man Produkte aus Israel konsumiere oder die ärmste Schicht in Delmenhorst unterdrücke – anspielend auf den Skandal im Wollepark[2]. Das einbrechende politische Bewusstsein der Jugend stehe ebenfalls dem Frieden entgegen. Imam Hussein habe für diese Werte eingestanden und nicht bloß für einen Waffenstillstand, den er hätte leicht erreichen können.
Das Delmenhorster Kreisblatt berichtete unter dem Titel „Friedensmarsch in Delmenhorst birgt politische Brisanz“.[3]