Im Heiligen Quran werden Muslime zum Widerstand gegen Tyrannen aufgerufen. Widerstand gegen die Unterdrücker ist eine zentrale Botschaft des Heiligen Qurans. Despoten sollen sich niemals wohlfühlen, solange sie andere versklaven und ausbeuten. Muslime werden zum Widerstand aufgefordert, nicht aber zum Siegen.
In zahlreichen Versen heißt es: „Und kämpft gegen die Unterdrücker, bis es keine Verfolgung mehr gibt“ (2:193). Oder: „Bekämpft die Beigesellenden umfassend, wie sie euch umfassend bekämpfen“ (9:36). Oder auch: „Lasst euch nicht unterdrücken“ (2:279). In keinem Vers des Heiligen Qurans steht etwas wie „besiegt die Tyrannen“ oder „besiegt die Unterdrücker“ oder dergleichen. Denn es kommt nicht darauf an, den Tyrannen zu besiegen, sondern ihn zu bekämpfen und Widerstand zu leisten. Mit dem Widerstand allerdings spricht Allah den Gläubigen Mut zu und sagt: „Wisset, dass Allah mit den Gottesfürchtigen ist“ (2:194).
Auch wir müssen Widerstand leisten gegen den Tyrannen unserer Zeit. Widerstand leisten wohlgemerkt, nicht siegen. Viele leisten erst gar nicht Widerstand, wenn sie keinen weltlichen, messbaren oder sichtbaren Sieg im Widerstand erkennen. Viele verlieren ihre Motivation, wenn sich bei ihrem Widerstand keine offenkundigen Erfolge ausmachen lassen. Die meisten denken gar nicht erst an Widerstand, weil der Tyrann zu übermächtig erscheint.
Als sich Imam Hussein in der Wüste Karbalas mit seinen wenigen Anhängern und Angehörigen einer Übermacht von tausenden Soldaten gegenübersah, war für alle klar, dass jeder Widerstand tödlich enden wird. Keiner der wenigen Anhänger von Imam Hussein hat sich falsche Illusionen gemacht. Jeder wusste, was auf sie zu kommt. Imam Hussein sagte zu seinen Anhängern: „Sie wollen nur mich. Ihr könnt im Schutze der Nacht gehen.“ Seine Anhänger aber bestanden darauf zu bleiben und sagten: „Selbst wenn sie mich töten, meinen Leib verbrennen und meine Asche in den Wind streuen und abermals töten, meinen Leib verbrennen und meine Asche in den Wind streuen, würde ich nicht von deiner Seite weichen, o Hussein.“ Wenn Allah im Quran befohlen hätte: „Besiegt den Tyrannen“, dann wäre jeder gescheiterte Widerstand gegen den damaligen Tyrannen Yazid eine Missachtung der göttlichen Pflicht. Auch Widerstand, der heute niedergeschlagen wird, hätte nicht das göttliche Gebot erfüllt. Aber der göttliche Befehl lautet: „Leistet Widerstand“. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Ein Mensch, der bereit ist, alles zu opfern, und nach höheren Idealen zu streben, der hat bereits den Sieg der Seele über den Körper erreicht. Der Sieg der Liebe zu edlen Idealen, für erhabene Ziele, für höhere Werte gegen die niederen Triebe des Menschen. Solch ein Sieg ist für materiell orientierte Menschen nicht erkennbar. Sie sehen nur den offensichtlichen, sichtbaren und messbaren Sieg.
Dieser Sicht war auch Yazid verfallen. Nachdem Imam Husseins Kopf zu Yazid nach Damaskus gebracht wurde, prahlte er: „Allah ist damit zufrieden, dass wir den Sieg erlangten. Schaut wie er den Tod Husseins verursachte und seine Familie erniedrigte.“ Zainab, die Schwester von Imam Hussein, die in Ketten gelegt war, sprang auf und sprach mit der vollen Überzeugung eines Siegers: „Glaubst du, dass du mit der Ermordung des Enkels des heiligen Propheten und unserem Herbringen in deinen Palast einen Sieg gegen den Islam davongetragen hast? Nein, Yazid, nein. Hussein hat mit seinem Blut sichergestellt, dass Tyrannen wie du nicht in der Lage sein werden, den Islam als Spielzeug zu benutzen, um ihre schmutzigen Auslegungen durchzusetzen. Der Sieg ist nicht dein. Den Sieg hat Hussein errungen! Den Sieg hat der Islam errungen.“
Wer Widerstand leistet, kann nicht verlieren, weil Widerstand bereits der Sieg ist. Genauso wie ein Stein zu Boden sinkt, wenn man ihn fallen lässt, singt der Sieg sein Lied bei Widerstand. Dies ist ein ewiges Gesetz. Bei Widerstand stellt sich nicht nur der Sieg ein, Widerstand ist bereits der Sieg. Denn wer bereit ist, Widerstand gegen einen übermächtigen Feind zu leisten, obwohl er weiß, dass er alles verlieren wird, der hat den großen Sieg errungen – den Sieg über die niederen Antriebe und die Angst. Wirkliche Siege wurden nie allein durch Waffen und Soldaten errungen. Waffen und Soldaten haben viel Zerstörung bewirkt und wurden am Ende selbst zerstört. Die wahren Siege in der Menschheitsgeschichte waren immer die moralischen Siege derer, die Widerstand leisteten, trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit. Oder wie es im Heiligen Quran heißt: „Wie oft hat eine kleine Minderheit eine Mehrheit besiegt – mit Allahs Erlaubnis?“ (2:249)