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source : Islam.de
Mittwoch

16 August 2017

07:14:10
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Moschee 2.0 : Wie wehrhaft ist eine Demokratie - Abdullah M. Schwarz

Dieser Aufsatz beschaeftigt sich vor den derzeitigen Diskussionen mit der Rolle, und leider auch der Berechtigung, eines Lebens basierend auf den Grundlagen des Islam, in einer nicht vom Islam gepraegten Kultur.

In einer Gesellschaft in welcher der Anteil von Muslimen ca. 5.5 % betraegt, in Zahlen ausgedrueckt zwischen 4.4 und 4.7 Millionen. Der Aufsatz konzentriert sich hierbei auf die Elemente islamischer Ueberlieferungen und deren Integration in eben diese Gesellschaft. Insbesondere, und das mag etwas provokativ verstanden werden, auf den Bau einer Moschee in Berlin. Ist eine Moschee ein Gebetshaus fuer Glaeubige des Islam, so stellt fuer viele Andersglaeubige ein islamisches Gotteshaus eine Symbolik in “ihrem” Land da.

Im Gegensatz zum Bau einer Synagoge die, auf Grund der deutschen Geschichte und der Frage der Schuld, wohlwollend unterstuetzt und akzeptiert wird. Es ist in diesem Zusammenhang nicht notwendig auf die internationalen Herausforderungen denen Muslime gegenueberstehen naeher einzugehen, allenfalls in Kuerze grundsaetzlich. Nach der Aufloesung des “Warschauer Paktes” im Jahr 1991 und dem damit verbundenen Ende der politischen und militaerischen Polarisierung entstand fuer die westliche Welt die Notwendigkeit des Schaffens eines neuen Feindbilds nachdem die wirtschaftliche Uebernahme der ehemaligen Staaten des Ostblocks sich doch als wesentlich schwieriger und aufwaendiger gestaltete als dies vermutet worden war. Mit den Ereignissen des 9.September 2001 wurde dieses Feindbild manifestiert.

Eine Deeskalation fand auch Jahre spaeter durch Politik und Medien nicht statt, der Islam wurde zum Zwecke der politischen Machterhaltung in der westlichen Welt instrumentalisiert. Gleichzeitig unterstuetzte die Politik den materiellen Anspruch des Individuums und dessen Umsetzung durch eine extreme aggressive Kreditwirtschaft. Die daraus folgende Besitzstandswahrung fuehrte zur Abgrenzung des Einzelnen von Allem was nicht Bestandteil der eigenen Kultur war. Mehr und mehr fuehrte dies zu einer besorgniserregenden Entwicklung am extrem rechten Rand der Gesellschaft.



Symbolik - Problem und Loesungsansatz

Der Theologe Paul Tillich wies darauf hin, dass jede religioese Sprache im Wesentlichen symbolisch sei, weil die Religion sich ja meist auf die Transzendenz bezieht und damit alles Vordergruendige, die Immanenz, uebersteigt.

Im Islam sind Symbole eher selten anzutreffen und sind, zumindest im Bereich der eigenen Religion, auch ohne grosse Bedeutung. Hier gilt es zu beachten, dass das Ornament in der islamischen Kultur von der Symbolik klar abzugrenzen ist. Die Ornamentik bildet einen Teil der Kunstgeschichte des Islam mit gemeinsamen charakteristsichen Eigenschaften.

Im Christentum hingegen wird der Symbolik grosser Raum eingeraeumt, am deutlichsten wird das an den verschiedenen Darstellungen des Kreuzes oder dem Ablauf des Abendmahls nach Gottesdiensten. In der christlichen Lehre und Erziehung stellt also die Symbolik einen wesentlichen Bestandteil des Selbstverstaendnisses da. Eine Abgrenzung zu Ornament oder, wie in unserem Fall, zur Architektur findet nicht statt. Alles ist symbolisch und verkoerpert grundsaetzlich einen Machtanspruch wenn diese, falsch verstandene, Symbolik nach aussen getragen wird.

Problem und Loesungsansatz

Der Bau einer Moschee wird vor diesem – westlichen - Hintergrund als symbolischer Akt verstanden. Es wird nicht erfolgreich sein Ueberzeugunsarbeit dahingehend zu leisten, dass hier ein grundsaetzliches Missverstaendnis vorliegt. Ausserdem wuerde es sich um einen Zeitraum handeln der nicht zu definieren ist.

Es gilt somit die Vorstellung der Andersglaeubigen in deren Land zu akzeptieren (was in anderen Kulturen ebenfalls erwartet wird) und sich beim Bau und dem Entwurf einer Moschee damit auseinanderzusetzen.



Geschichte der Moschee

Nach der Auswanderung aus Mekka nach Medina im Jahr war der Zugang nach Mekka fuer die Muslime nicht mehr moeglich. Das Gebet wurde danach im Hof des Wohnhauses des Propheten Mohammed (PBUH) in Medina durchgefuehrt. Dieser Hof wird als erste muslimische Moschee betrachtet.

Gebetsraum
Das zentrale Element einer Moschee ist der Raum für das Gebet. In der Frühzeit des Islam bestand dieser meist nur aus einem umschlossenen Hof, dem Sahn. Später wurden überdachte Gebetsräume zum Standard.

Minarette Die Minarette waren wesentlicher Bestandteil einer Moschee und dienten dem Ruf des Muezin an die Glaeubigen zum Gebet. Hierzu stieg der Muezin auf das Minarett, mittlerweile wird der Ruf ueber Lautpsrecher uebertragen waehrend sich der Muezzin selbst in der Moschee befindet. In der Fruehzeit des Islam rief der Muezzin meist vom Dach der Moschee zum Gebet.

Ausbreitung
Die Ausbreitung des Islam führte zum Kontakt mit anderen Kulturkreisen, deren Bauformen in die Sakralarchitektur integriert wurden. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Christentum wurden oftmals bestehende Kirchen in Moscheen umgewandelt. Es sind, obwohl chronologisch aufeinander folgend, regional und zeitlich unabhängig Unterschiede entstanden, die, anders als in der westlichen Kunstgeschichte, keine lineare Entwicklung aufzeigen. 

Stilformen
Je nach Bauform entstanden entsprechende Stilformen in der Fassadengestaltung, Innenarchitektur und im Möbeldesign. Die Formensprache ergänzte sowohl im Stil als auch im Material das ganze Bauwerk. Oft findet man gleiche Dekors in unterschiedlichen Bereichen wieder. Je nach regionaler Verfügbarkeit oder traditionell üblicher Handwerkskunst bestand die jeweilige Einrichtung aus Naturstein, Stuck, Lehm, Holz oder Metall. Durch das Bilderverbot im Islam entstanden anfangs sehr sachliche, schmucklose Räume. Dennoch sah man sich verpflichtet, die Moscheen von der Profanarchitektur abzuheben.

Dadurch konzentrierte man sich auf Kalligraphie, Geometrie, Ornamentik, Arabesken und verschiedene Kunsthandwerke wie z. B. Stuck-, Teppich-, Schmiede-, Bildhauer-, Tischler-, Glasmaler- und Kachelhandwerke. Aufgrund des warmen Klimas in den islamischen Ländern war das Spiel von Wasser, Licht und Schatten von besonderer Bedeutung. Das Wasser – als Brunnen oder Wasserbecken im Betraum oder im Hof – diente zur Reinigung und zur Kühlung. Es entstanden schattenspendende Fensterläden mit aufwändigen Dekors aus Holz, Naturstein, Stuck oder Metall.

Um auch Am Abend wurden Öllampen oder Kerzenhalter benötigt, die ebenso aufwendig gestaltet waren. Die Höfe wurden mit Arkaden oder Kolonaden beschattet, aehnlich derm Kreuzgang in christlichen Einrichtungen.

Moschee 2.0

Grundsaetzlich sollte eine neu zu errichtende Moschee, vor dem Hintergrund des oben Gesagten, in seiner Ausfuehrung ein Gebaeude darstellen welches den sie umgebenden Kulturkreis und dessen Gebaeudetypologie respektiert ohne sich an diesen anzubiedern. Es kann bei einem solchen Ansatz nicht um einen Kompromiss gehen sondern vielmehr um das Miteinander unterschiedlicher Kulturen.

Somit um das Uebersetzten der Grundlagen eines islamischen Gotteshauses, seiner Eigenstaendigkeit, seiner funktionalen Erfordernisse, seiner Zurueckhaltung im und Anpassun in den urbanen Kontext, verbunden mit der Akzeptanz des jeweiligen Kulturkreises, hier Berlin, in welchem die Moschee errichtet wird. Die Moschee als weiteres architektonisches Unikat in einer Metropole wie Berlin. Eine Fortfuehrung dieser architektonischen Unikate wie Neue Natoinalgalerie, Kollhoff tower, Reichstag, Juedisches Museum, Tiergartenviertel, Paul Loebe Haus, Kanzleramt oder auch das Brandenburger Tor um nur einige zu nennen. Diese Uebersetzung beruht auf folgenden Hauptelementen : Ersetzen der Minarette durch Lichttechnik die auch am Tag sichtbar gemacht werden kann (vertikale Strahlung).

Es ist auch vorstellbar, dass die Minarette in hoch aufspringende Wasserfontaenen ueberstetzt werden um die Vertikalitaet und somit die Sichtbarkeit zu gewaehrleisten. In vielen arabischen Staedten bilden die Minarette eine nicht unwesentliche Orientierung in der Stadt und der Zielfuehrung zur Moschee. Gebaeudehuelle versehen mit Ornamentik die Bestandteil der Nutzung und der Eingliederung in das urbane Umfeld ist Wasser als architektonisches Element der Aussenlage Verzicht auf Kuppeln , allenfalls skylights mit horizontalem Abschluss Oekologische Massnahmen wie Regenwassersammlung (Thema Wasser) Verschattungseinrichtungen mittels Membranen Gebrauch von digitalen Fassadentechniken z.B. zur Projektion von Dekorelementen.

Es ist zwingend erforderlich, dass den beteiligten Gremien der entscheidenden Verwaltungen im Vorfeld diese Uebersetzung kommuniziert wird. Es geht in der Argumentation in erster Linie nicht um das Bauwerk als solches, als vielmehr um die Logik und Akzeptanz im gesellschaftlichen und urbanen Kontext.


Zum Autor:
 
Abdullah M. Schwarz ist Architekt, lebte 15 Jahre in Dubai und ist im April 2015 zum Islam konvertiert. Er lehrte dort als Professor an verschiedenen Universitaeten vornehmlich im Bereich Design und Konstruktion. In dieser Zeit entwarf er mit seinem Buero Projekte in den VAE, dem Irak und Afghanistan. Mit seinen Bueropartnern war er verantwortlich fuer den Entwurf und architektonische Durchfuehrung der “Sheikh Zayed Moschee” in Fujairah die 25.000 Glaeubige im Gebetsraum beherbergen kann.

Abdullah setzt sich mit seiner Arbeit in Deutschland u.a. mit Formen der Architektur auseinander,  welche auf den Grundlagen islamischer Baukunst beruht und deren Integration in das bestehende kulturelle und soziale Umfeld. Er versteht sich vor diesem Hintergrund selbst als Mediator im Bereich der Architektur zwischen der islamischen und westlichen Welt.

Seine Projekte umfassen Ein- und Mehrfamilienhaeuser, kulturelle Bauten sowie Gebaeuden die einer kommerziellen Nutzung dienen. Er haelt weltweit Vortraege ueber Architektur und staedtebauliche Entwicklungen in den neuen Metropolen des 21. Jahrhunderts.