Der islamistische Anschlag während der Morgenmesse in der normannischen Arbeitervorstadt Saint-Etienne-du-Rouvray hatte vor einem Jahr die französischen Katholiken erschüttert. Am Mittwoch erinnerte Präsident Emmanuel Macron nach einer Gedenkmesse in dem 29.000-Einwohner-Ort bei Rouen an das Schicksal des Pfarrers Jacques Hamel, dem zwei junge Islamisten vor dem Altar mit einem Küchenmesser die Kehle durchgeschnitten hatten.Einer der 19 Jahre alten Terroristen trug damals eine elektronische Fußfessel. „Ich danke Ihnen allen dafür, dass Sie die Kraft zur Vergebung gefunden haben“, sagte Macron. Erstmals wandte sich der aus eigenem Antrieb als Teenager im katholischen Glauben getaufte Präsident an „alle Katholiken Frankreichs“.Sie hätten sich „dem Durst nach Rache und Vergeltung verweigert“. Die Attentäter hätten es nicht geschafft, die Angst der Franzosen zu schüren. „Der Hass hat nicht triumphiert, und er wird nicht triumphieren“, sagte der Erzbischof von Rouen, Dominique Lebrun.
Die Ermordung des 85 Jahre alten Priesters hatte insbesondere die Katholiken getroffen und dazu beigetragen, dass die Gläubigen verstärkt auf die politische Bühne zurückkehrten. Die 2013 aus dem Protest gegen die Homo-Ehe hervorgegangene Gruppierung „Sens Commun“ (etwa: gesunder Menschenverstand) mischte sich selbstbewusst in die Debatte über den Umgang mit dem Islam ein.
Der Schock über den Anschlag in der Kirche trug maßgeblich dazu bei, dass die Thesen des damaligen Vorwahlkandidaten der Republikaner, François Fillon, starken Anklang fanden. Fillon hatte sich selbst nicht nur klar in der Tradition der „tausendjährigen Geschichte“ des Christentums in Frankreich verortet, sondern die verunsicherten Katholiken mit der Kampfschrift „Islamischen Totalitarismus besiegen“ umworben.
Sein Überraschungssieg bei den parteiinternen Vorwahlen im vergangenen November geht auf eine starke Mobilisierung der Katholiken zurück. Die Stadt Saint-Etienne-du-Rouvray steht indessen in der Tradition des Linkskatholizismus. Sie hat nach dem Terroranschlag auf einen verstärkten Austausch mit den Muslimen gesetzt. „Die barbarische Tat hat uns Muslime von der Wichtigkeit eines interreligiösen Dialogs überzeugt“, sagte Mohammed Karabila von der Moschee Yahia.