Extremisten, Fundamentalisten, Antisemiten. Seit Jahren sind gewisse Medien bemüht, die Demonstration zum internationalen Qudstag in Berlin verbieten zu lassen, weshalb sie die Veranstaltung ohne Grundlage als antisemitisch verleumden. Bei dieser „Beurteilung“ kommen die Teilnehmer üblicherweise nicht zu Wort. Am kommenden Freitag findet der diesjährige Marsch in Berlin statt. Wir haben Teilnehmer der letzten Jahre gefragt, was sie motiviert, auch dieses Jahr wieder dabei zu sein.
Verantwortung vor Gott
Glaube und Religion wurden als die häufigsten Gründe für die Teilnahme am Qudstag angeführt. So glaubt die ehrenamtliche Aktivistin Tina S. (28), dass es ihre religiöse Pflicht ist, den Unterdrückten dieser Welt Gehör zu verschaffen. Dabei bezieht sie sich ausdrücklich nicht auf Palästina allein: „Palästina ist das traurige Paradebeispiel für die Unterdrückung durch ein willkürliches Apartheid- und Unterdrückungsregime und steht stellvertretend für alle unterdrückten Völker.“
Dem stimmt auch Reihana S. (22, Sozialassistentin) zu: „Am Tag des jüngsten Gerichts wird mich Allah fragen, was ich gegen all das Unrecht, das in der Welt geschieht, getan habe. Dadurch, dass ich an der Qudsdemo teilnehme, leiste ich meinen mir möglichen Beitrag, gegen die Unterdrückung in der Welt die Stimme zu erheben.“ Sie nennt Afghanistan und Jemen als weitere Länder, für die sie die Stimme erheben will. „Es ist beschämend, dass man angesichts all des Leides in der Welt immer noch begründen muss, wieso man zur Qudsdemo geht.“
Yavuz Özoguz (Betreiber von Muslim-Markt.de) begründet sein Engagement ebenfalls mit der Befragung am Jüngsten Tag: „Ich kann dann zumindest antworten, dass ich dem Ruf des Imams gefolgt und gegen die Unterdrücker der Zeit aufgestanden bin.“
Wenn der Prophet heute leben würde
Der Teilnehmer Kenan D. (26, Gerontologe) betont die Verantwortung der Muslime: „Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Unterdrückten und der Qudstag ist ein Mindestmaß an Einsatz, welches von jedem Menschen – insbesondere den Muslimen – gefordert wird.“
Sumeyya Ö. (20, Auszubildende zur Mediengestalterin) ist sich sicher, dass wenn der Prophet und die Ahlulbayt heute noch lebten, sie die Unterdrückung und Apartheid in Palästina nicht einen einzigen Tag lang dulden würden. „Was für eine Muslima wäre ich, wenn ich diesem Weg nicht Folge leisten würde?“
Bringt es denn etwas?
Viele werden von ihrem Umfeld mit der Frage konfrontiert, was es denn bringe, für Palästina zu demonstrieren. Yamin N. (36, Student der Sozialen Arbeit) meint, dass auch ein kleiner Beitrag seinen Nutzen zeigt: „Die Geschichte von den Gefährten des Elefanten (Ashaab-al-Fil) im heiligen Quran lehrt mich, dass man lediglich standhaft gegen den Unterdrücker stehen muss, wie mächtig er auch erscheinen mag. Dann können kleinste Steine, so wie sie die Kinder Palästinas den zionistischen Panzern entgegenschleudern, den Unterdrücker besiegen.“
Arifa R. (28, Sozialassistentin) argumentiert mit „hayhat min az-zilla“, der Parole Imam Husseins (a.): „Seine Devise in Bezug auf den Unterdrücker der Zeit war: ‚Einer wie ich wird einem wie Yazid niemals den Treueid schwören!‘ Deshalb gehe ich zur Demonstration des internationalen Qudstages. Meine Teilnahme drückt aus, dass auch wir niemals einem Unterdrücker wie Israel und Seinesgleichen huldigen!“
Das Gedenken an Imam Hussein (a.) ist auch für Samara I. (25, Hausfrau) ausschlaggebend. Für sie ist das Wegsehen die größere Unterdrückung. „Am Qudstag wird meine Seele und meine Stimme und jede einzelne Faser meiner selbst ‚hayhat min az-zilla‘ schreien!“
Informationslage in Deutschland
Die deutsche Öffentlichkeit sei sowohl über die Lage in Palästina als auch über den internationalen Qudstag schlecht oder gar nicht informiert, kritisieren die Teilnehmer. Die Menschen würden über das Unrecht in der Welt betrogen werden, meint Gürhan Özoguz von Muslim-TV. Er fährt nach Berlin, weil sie die einzige Demonstration sei, die weltweit am selben Tag gegen Unterdrückung und Vertreibung Flagge zeige.
Die Studentin Lilli M. erzählt, dass sie trotz ihres Geschichtsstudiums wenig über den Nahostkonflikt wusste. „Erst durch die Al-Quds-Demo habe ich mich über die Zustände in Palästina informiert. Ich hätte mir gewünscht, dass man in der Schule oder im Studium diese Thematik behandelt hätte.“ Man müsse kein Experte sein, um den Konflikt zu verstehen, sondern es genüge, die grundlegendsten Fragen zu stellen. Zu dem ständigen Antisemitismusvorwurf meint sie: „Es kann nicht sein, dass die Auseinandersetzung mit dieser Thematik tabuisiert oder als Antisemitismus betitelt wird, sobald man die menschenunwürdigen Zustände kritisiert.“
Mit Blick auf die deutsche Geschichte argumentiert Sara S. (21, Studentin): „Mit unserer traurigen Vergangenheit liegt es gerade in unserer Verantwortung, noch lauter als andere unsere Stimmen gegen Unterdrückung, Verfolgung und ethnische Säuberung zu erheben.“
Auch Havva Z. (25, Studentin) ist es ein Anliegen, die Angelegenheit der Besatzung Palästinas nicht in Vergessenheit geraten zu lassen: „Demonstrieren und Boykottieren sind meine einzigen Möglichkeiten, mich von der Unterdrückung zu distanzieren.“
Aufgrund der jüngsten Medienhetze gegen den Geistlichen Dr. Torabi fühlt sich Nermina D. (24, Sozialassistentin) ermutigt zur Demonstration nach Berlin zu fahren, da sie die Gelehrten nicht im Stich lassen will, wenn sie unrechtmäßig medial angegriffen werden. „Ich werde meine Stimme erheben, um gegen die Tyrannen der Zeit ein Zeichen zu setzen.“
Zahra Ö. (25, Biologin) hofft auf eine zahlreiche Teilnahme: „Je mehr Leute daran teilnehmen, desto schwieriger ist es für die Medien, die Demo zu ignorieren oder nur in einigen Zeilen zu erwähnen.“