Von: Dr. Yavuz Özoguz
Wie ignorant muss eine Gesellschaft sein, in der ein Innenminister durch Unmenschlichkeit zu punkten versucht? Solche und ähnliche Fragen sind keine Fragen nur der Gegenwart. Seit Jahrhunderten versuchen Deutsche die „Gefahr“ des Islam durch übelste Propaganda geradezu gewaltsam in die Gedanken ihres Volkes einzupeitschen, um unmenschliche Ziele durchzusetzen. Eines der bekanntesten Beispiele dafür dürfte die so genannte Türkenmuttergottes sein.
"Türkenmuttergottes" ist der Name eines Ölgemäldes, dessen zeitweilige Zerstörung zu Propagandazwecken den Osmanen zugeschrieben wurde. Das Ölgemälde der Maria (a.) mit Jesus (a.) auf dem Arm ist in der Hernalser Pfarrkirche in Wien ausgestellt. Es wurde behauptet, dass 1683 n.Chr. Soldaten der Osmanen das Gemälde als Zielscheibe für Schießübungen missbraucht hätten. Jene Behauptung ist eine glatte Lüge. Maria (a.) und auch Jesus (a.) sind bei Muslimen heilig, und Osmanen kannten durch die einheimischen orthodoxen Christen solche Gemälde. Das wussten die damaligen Christen um Wien herum aber nicht, so dass die Propagandalegende aufgebaut werden konnte [1].
In einem Zeitungsartikel von 1950 im „Wiener Kurier“ heißt es: „Nach dem Abzug der in den schicksalsschweren Septembertagen des Jahres 1683 geschlagenen Türken fanden die in ihre alte Heimat zurückgekehrten Hernalser unter den Trümmern des Feindeslagers etwas Seltsames: ein auf Holz gemaltes, von Pfeilen und Kugeln vielfach durchbohrtes Marienbild unbekannter Herkunft. Die türkischen Soldaten mußten es als Zielscheibe benutzt haben. Abgesehen von den Durchschüssen, war es ein gar anmutiges Gemälde.“ [2]
Heute befindet sich die „Türkenmuttergottes“ im linken Seitenschiff der Hernalser Pfarrkirche. Einige der angeblichen Kampfspuren wurden bei den jeweiligen Restaurierungen bewusst erhalten. Eine noch erhaltene Inschrift am unteren Rand besagt: „Als der Türk die kayserl. Residenzstadt Wien belagert, haben etliche der türkischen Soldaten dieses Bild statt einer Scheiben aufgesteckt und mit Kugeln und Pfeilen danach geschossen.“
Diese üble auf reinen Lügen aufbauende Propaganda gegen die „Türken“, was damals ein Synonym für „Muslime“ war, ist nunmehr über drei Jahrhunderte alt. Keine Lüge, keine Verleumdung, ja selbst keine Heiligkeit war den Propagandisten zu schade, um „Fremde“ zu verunglimpfen. Seit damals scheint sich nicht viel verändert zu haben.
An einem der Thesen des Innenministers De Maizière soll verdeutlicht werden, wie sehr der deutsche Innenminister sein Amt ganz offensichtlich missbraucht, um der weiteren Schikanierung religiöser Menschen Vorschub zu leisten. Er soll gesagt haben: „Wir geben uns zur Begrüßung die Hand.“ Wiederum wird auf dem Unwissen des Volkes aufgebaut, welchem eingeimpft wird, dass diese Geste „deutsch“ sei und die Unterlassung eine Respektlosigkeit.
Der deutsche Innenminister unterscheidet in der ganz typischen Manier von „Herrenmenschen“ zwischen dem „Wir“ und dem „Ihr“. Wer zur Begrüßung die Hand reicht gehört zum „Wir“. Wer das nicht tut, gehört nicht dazu! Würde solch eine Meinung von einem Stammtisch stammen, so wäre es die Einzelmeinung eines Einzelbürgers. Äußert aber der deutsche Innenminister diese Meinung, so grenzt es geradezu an Nötigung von unzähligen deutschen Bürgern. Entsprechend schockiert reagiert der große deutsche Philosoph Habermas in einem Gastbeitrag in der Rheinischen Post mit der Aussage: „Keine Muslima muss Herrn de Maizière die Hand geben.“ [3] Etwas irritiert kann man bei der Debatte über die extreme Schweigsamkeit von Juden zum Thema sein, zumal auch orthodoxe Juden dem anderen Geschlecht die Hand nicht reichen. Die Schweigsamkeit hängt möglicherweise damit zusammen, dass der deutsche Innenminister in einer anderen These faktisch die uneingeschränkte Unterstützung für einen Apartheidsstaat einfordert!
Derartige Meldungen vergiften sei Jahren die Atmosphäre in Deutschland und fast scheint es so, als wenn es zum Berufsbild eines Innenministers gehört als größter Islamhasser im Kabinett aufzutreten. Betrachtete man auch die Vorgänger De Maizières muss man sich die Frage stellen, ob der Islamhass eine Art Einstiegsqualifikation für diesen Beruf ist oder die betroffenen Personen im Laufe ihres Amtes so werden. Jedenfalls hat in den letzten Jahrzehnten jeder Innenminister seinen Vorgänger im vorgelebten Islamhass übertroffen. Das war deshalb so erstaunlich, weil man sich weitere Steigerungen immer kaum noch vorstellen konnte.
Doch sind alle Deutschen so? Bestehen alle Deutschen darauf, dass ein Mensch nicht selbst bestimmen darf oder kann, wen er berührt oder nicht? Will jeder Deutsche gleich jeden zumindest gedanklich „ausbürgern“, wenn er oder sie ihm nicht die Hand gibt? Mitnichten!!
Eines der Probleme unserer Zeit besteht darin, dass eine auf Islamhass getrimmte Journalistenschar jede Meldung, die sich gegen den Islam und die Muslime richtet, aufbauscht, während es die Tausenden und Abertausenden segenreichen Beispiele eines konstruktiven Miteinander überhaupt nicht in die Medien schaffen. In vielen Bereichen gibt es seit Jahrzehnten Beispiele für ein gesegnetes Miteinander auch ohne Handgeben. Sowohl Muslimas [4] als auch Muslime [5] haben seit Jahrzehnten erläutert, warum sie nicht das andere Geschlecht berühren. Es hat weder mit Respektlosigkeit noch einer Herabwürdigung des anderen Geschlechts zu tun, was ja angesichts der Tatsache, dass es für beide Geschlechter gilt, absurd wäre! Es hat vielmehr mit der Berührungsexklusivität zu tun, die sich die Ehepartner im Islam gewähren. Es ist ihre eigene Entscheidung und niemand hat das Recht, ihnen das zu verwehren, auch kein Innenminister.
Bedauerlicherweise hat „Berührung“ zwischen den Geschlechtern in einer rein materialistisch orientierten Welt die Besonderheit verloren, die in ihr wohnt. Berührung kann in Verbindung mit schützenden Tabus auch ein wahrer menschlicher Genuss sein. Wenn ich als Mann meine Tochter, meiner Mutter, meine Schwester oder meine Schwiegertöchter berühren kann, ihnen die Hand gebe, dann ist das eine Stärkung der Familienbindung. Und wenn ich als einziger Mensch auf der Erde meine Ehefrau überall berühren darf, dann ist das ein exklusiver Genuss, der mit den Jahren wächst und nicht zur Gewohnheit oder Beliebigkeit wird. Das Lied „Tausend Mal berührt, tausend Mal ist nichts passiert …“ [6] ist ein Beweis dafür, dass derartige Zusammenhänge durchaus auch in Deutschland bekannt sind. Es gibt nicht wenige nichtmuslimische Frauen, die sich wünschen würden, dass ihre Männer nur sie berühren!
Letztendlich muss das jeder für sich entscheiden, wen er berühren möchte oder nicht. Die Religion des Islam zeigt praktische Wege auf, wie man sich der Liebe Gottes schneller und einfacher annähern kann. Wählt jemand andere Wege, ist das seine Sache. Keine Frau, die einen wahrlich praktizierenden Muslim besser kennen lernt, kommt auf den Gedanken, der Mann würde sie nicht respektieren, weil er ihr die Hand nicht gibt. Das gilt auch bei der Muslima, die dem Mann den Handschlag verweigert. Auch ihr würde man keine Respektlosigkeit vorwerfen, wenn man sie kennt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Sie respektieren den anderen als gleichwertigen Mensch indem sie die Anziehungskraft des anderen Geschlechts aus der Beziehung ausklammert. Feministinnen müssten Jubelsprünge vollziehen, aber sie dienen nur dem kapitalistischen System, in dem alles verdinglicht und Dinge vergöttert werden.
Ich bin der festen Überzeugung, dass es in Deutschland viele Menschen gibt, die absolut problemlos mit dem muslimischen Mitbürger anderen Geschlechts, der ihnen nicht die Hand reicht, hervorragen und konstruktiv zur gemeinsamen Entwicklung dieser Gesellschaft beitragen kann. Ich bin ebenso der festen Überzeugung, dass der Beitrag, den Muslime in diesem Land leisten – auch mit dem Nichthandschlag [7] gegenüber dem anderen Geschlecht – Nachdenkprozesse in Gang setzen wird, die hilfreich zum Erhalt der Familie und zum Ausbau der Ehe zu einer Art irdischem Paradies beitragen können. Genau so bin ich überzeugt, dass Muslime und Nichtmuslime gemeinsam in diesem Land ein neues Wir-Gefühl aufbauen können, in der Deutschland ein Vorreiter für Frieden und Gerechtigkeit werden kann, in dem Deutschland an der Seite der Unterdrückten steht und nicht an der Seite der Unterdrücker und in dem Deutschland sogar eine Vorbildfunktion für Toleranz und Mitmenschlichkeit einnehmen kann.
So sehr ich von dieser möglichen blühenden Zukunft Deutschlands überzeugt bin, so sehr bin ich auch überzeugt, dass diese Zukunft mit den Dienern des Kapitalismus, den Unterstützern des Imperialismus, den Förderern von Apartheid, den Spaltern zwischen Muslimen und Nichtmuslimen und den Menschen, die denken, dass sie etwas Besseres sind und man daher ihren Thesen folge zu leisten habe, nicht möglich sein wird. In einem hat De Maizière recht: „Wir sind nicht Burka“. Aber wir sind auch nicht „De Maizière“. Nicht der Andersdenkende, Andersfühlende und einen anderen Glauben Praktizierende sollte ausgeschlossen werden, sondern derjenige, der anderen seine Meinung aufzwingen will, und sei es durch Missbrauch seines Amtes. Hand in Hand kann auch das Unheil, welches von solchen Menschen ausgeht, überwunden werden.
[1] http://www.eslam.de/begriffe/t/tuerkenmuttergottes.htm
[2] Wiener Kurier 09.07.1950
[3] http://www.rp-online.de/politik/deutschl...e-aid-1.6793232
[4] http://www.eslam.de/manuskripte/buecher/...nicht_jeden.htm
[5] http://www.eslam.de/manuskripte/buecher/...emde_frauen.htm
[6] http://www.songtexte.com/songtext/klaus-...m-43d93bb7.html
[7] http://www.eslam.de/begriffe/h/haendeschuetteln.htm