Kirchenrechtler Hans Michael Heinig beklagt eine Zurückdrängung der Religionsfreiheit an deutschen Universitäten. „Studentische Gemeinden können sich mit ihrem Veranstaltungs- und Beratungsangebot nicht mehr wie bislang in Orientierungsveranstaltungen für Erstsemester vorstellen, Flyer dürfen nicht mehr in der Mensa ausgelegt werden“, schreibt Heinig in einem Gastbeitrag in der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ am Donnerstag.
Das an den Staat gerichtete Neutralitätsgebot verbiete keineswegs, religiöse oder weltanschauliche Belange von Studierenden zu berücksichtigen. „Der Staat des Grundgesetzes ist offen für die Religionen und Weltanschauungen seiner Bürger“, argumentiert der Göttinger Rechtswissenschaftler. „Ausdrücklich unterbunden werden dürfen studentische Aktivitäten nur, wenn die Funktionsfähigkeit der Hochschule ansonsten beeinträchtigt ist. Das ist nicht schon deshalb der Fall, weil Religion per se unvernünftig ist und an der auf wissenschaftlich abgesichertes Wissen verpflichteten Universität nichts zu suchen hat“, erklärt Heinig. Der Staat dürfe sich ein solch streng säkularistisches Weltbild nicht zu eigen machen.
„Um wirklich unappetitliche religiöse Gruppen außen vor zu halten, sollten Hochschulen eine Charta mit Grundsätze erarbeiten, die Gruppen mittragen müssen, wenn sie Räume oder andere Ressourcen nutzen wollen“, appelliert der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Zu solchen Grundsätzen sollten demnach etwa der säkulare Charakter der staatlichen Ordnung gehören, aber unter anderem auch die Achtung der Religionsfreiheit, die Anerkennung der Würde aller Menschen, die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder der Schutz individueller sexueller Selbstbestimmung.