Die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS) beobachtet mit Befremden die Entwicklungen um die anstehende Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN am 26.11.2016 in Hamburg. Der Antrag „Kein Staatsvertrag mit Vertretern der Gewaltherrschaft im Iran und Befürwortern der Vernichtung Israels“ besitzt konfliktförderndes Potenzial. Anlass hat der jährlich begangene Al-Quds-Tag gegeben, an dem nicht nur in Berlin, sondern weltweit, unter Beteiligung von Angehörigen aller Religionsgemeinschaften, auch der jüdischen, für die Rechte der Palästinenser eingetreten wird. Die gemeinsame Forderung Reza Alipours mit fünf weiteren Mitgliedern der GRÜNEN zielt auf die Spaltung der islamischen Verbände ab. Darin beantragen sie, die SCHURA Hamburg, Vertragspartner der Stadt Hamburg, aufzufordern, ihrem Mitgliedsverein „Islamisches Zentrum Hamburg (IZH)“ ein Ultimatum zu stellen. Für den Fall, dass das IZH sich nicht schriftlich von der Quds-Tag-Demonstration distanziere und darüber hinaus seine Mitglieder nicht aktiv von der Teilnahme an dieser Veranstaltung sowie weiteren gegen die Siedlungspolitik Israels gerichteten Veranstaltungen abhalte, so der Vorschlag der GRÜNEN, solle der Hamburger Senat Druck auf die SCHURA Hamburg ausüben, das IZH binnen drei Monaten aus ihrem Verband auszuschließen.
Inzwischen hat der Landesvorstand der Hamburger GRÜNEN einen Änderungsantrag eingereicht, der das IZH und die SCHURA nicht mehr explizit erwähnt. Dieser geänderte Antrag enthält zwar keine Vorschläge mehr zur Vorgehensweise, dennoch wird die Integrität sämtlicher Verbände infrage gestellt. Wir sehen unser Mitglied, das IZH, darin zu Unrecht in die Nähe zu extremen politischen Positionen gebracht, die wir nicht vertreten. Zudem wird eine politische Reichweite aus dem Ausland unterstellt, die es de facto nicht gibt. Das IZH wird dem Verdacht des Vertragsbruchs mit der Stadt ausgesetzt, obschon der gemeinsame Wertekanon die einzige verbindliche Geltungsgrundlage bildet. Und schließlich bedenken die Antragsteller bei ihrer Forderung nach Einflussnahme der Religionsvertreter auf extremistisches oder rassistisches Gedankengut nicht die Grenzen der Durchsetzbarkeit.
Die Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit ihren Religionsgemeinschaften beruht auf dem Prinzip der Nichteinmischung in deren Angelegenheiten. Entsprechend heißt es im Artikel 1 (2) des betreffenden Staatsvertrags der Stadt Hamburg mit der DITIB, der SCHURA Hamburg und VIKZ: „Die islamischen Religionsgemeinschaften ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Die Vertragsparteien bekennen sich zum Grundsatz der Neutralität des Staates gegenüber Religionen und Weltanschauungen und zur vollständigen Geltung und Achtung der staatlichen Gesetze. Sie werden hierfür entschieden eintreten, auf entgegenstehende Äußerungen verzichten sowie sich gegen widersprechende Anschauungen wenden.“
Das IZH und die IGS als Dachverband stehen hinter dem Geist dieses Vertrages und allgemein hinter den Gesetzen unseres Landes. Dazu gehören bekanntermaßen die Freiheit der Meinung und das Demonstrationsrecht. Der Antrag von Alipour fordert eine religiöse Instanz dazu auf, Einfluss auf ihre Mitglieder zu nehmen, auf ihre Rechte zu verzichten. Der Antrag gegen das IZH ist voller falscher Beschuldigungen. Alipour ging sogar so weit, das IZH in einem Interview mit der TAZ mit Adolf Hitler zu vergleichen. Alle die sich als Demokraten betrachten, sollten bedenken, dass die deutsche Geschichte uns zu einer besonderen Sensibilität gegenüber Antisemitismus sowie religiös motivierter Diskriminierung mahnt. Das IZH und die IGS insgesamt verurteilen jede Art von Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung und Apartheid gegenüber allen Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft oder Religionszugehörigkeit. Auch werden extremistische Handlungen sowie Aufrufe zu Gewalt, Mord und Vernichtung auf das Schärfste verurteilt.
Das IZH, das zu den ältesten und bedeutsamsten Moscheen Deutschlands zählt, hat sich bei der Vorstellung eines vernunftorientierten, moderaten und dialogorientierten Islams seit über 55 Jahren als Vorreiter und Wegbereiter unter den islamischen Institutionen in Deutschland und Europa einen Namen gemacht. Es lädt vor diesem Hintergrund in regelmäßigen Abständen Vertreter unterschiedlicher Weltanschauungen und Religionsgemeinschaften ein, um die Beziehungen untereinander und zu dialoginteressierten Bürgern zu stärken. So fand zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt Hamburg im Jahre 2014 in der Blauen Moschee des IZH ein Friedensgebet mit ranghohen Vertretern der abrahamitischen Religionen – darunter der Hamburger Landesrabbiner Shlomo Bistritzky – für den Frieden im Mittleren Osten statt.
Die IGS verurteilt die Verleumdungen gegen das IZH auf das Schärfste und fordert die Landesvertretung der GRÜNEN in Hamburg auf, sich von dem Ultimatum zu distanzieren und die politischen Forderungen an das IZH zurückzunehmen. Diese sind mit dem demokratischen Wertekanon unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar. Die IGS ist bereit, zusammen mit allen gerechtigkeitsliebenden Menschen gegen Antisemitismus und jede andere Form von Rassismus, ethnischer Säuberung und Apartheid einzutreten.
source : ABNA
Montag
14 November 2016
06:53:17
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Stellungnahme der IGS zur Androhung eines Ultimatums gegen das Islamische Zentrum Hamburg
Die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS) beobachtet mit Befremden die Entwicklungen um die anstehende Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN am 26.11.2016 in Hamburg