Die Vertragsverhandlungen zwischen dem Staat und islamischen Gemeinschaften in Hamburg und Bremen mögen nicht leicht gewesen sein, aber im Vergleich zur aktuellen Situation in Niedersachsen waren sie ein Kinderspiel. Der Vertragsabschluss war ein erklärtes Ziel der Landesregierung aus SPD und Grünen. Die rot-grüne Landesregierung hat sich zwar viel Zeit mit der Aushandlung des Vertrags gelassen, handwerklich war der erste Entwurf jedoch so mangelhaft, dass er vollständig überarbeitet werden mussten. Nun fällt die Entscheidung über den Abschluss des überarbeiteten Vertrags in eine Zeit des tiefen Misstrauens gegen den Islam und alles Türkische. Der Zeitpunkt könnte kaum ungünstiger sein.
Ein Vertragsabschluss ist für viele politisch Verantwortliche hoch riskant. Mit der auf den gescheiterten Putschversuch in der Türkei erfolgte Gleichschaltungspolitik samt Ausschaltung weiter Teile der Zivilgesellschaft in der Türkei hat die Skepsis gegen den Islam und alles Türkische weite Teile der Öffentlichkeit erfasst. Dagegen richten auch noch so viele Distanzierungen der Verhandlungspartner DITIB und SCHURA nur wenig aus. Die Politiker sind entsprechend zurückhaltend mit Zusagen. Niemand will den geballten Zorn der Islam- und Erdoğankritiker auf sich laden. Denn 2017 sind Wahlen im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen und im Bund, 2018 dann in Niedersachsen selbst. Daher wurde selbst der demokratisch legitimierte Wechsel an der Spitze von SCHURA zum Politikum.