AhlolBayt News Agency (ABNA)

source : ABNA
Donnerstag

30 Juni 2016

06:40:16
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IGS-Iftarempfang 2016: Vize-Bundeskanzler Gabriel und IGS-Vorsitzender Khalilzadeh:

Die IGS lud am gestrigen Abend zum Fastenbrechen im Salon Awa in Berlin ein, wo der stellvertretende Bundeskanzler Sigmar Gabriel eine Rede hielt. Aus seiner Rede, die er als Antwort auf die vorgehende Rede des Vorsitzenden der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS) Mahmood Khalilzadeh hielt, entwickelte sich noch am selben Abend ein angeregter Dialog.

Die Rede von Mahmood Khalilzadeh am IGS-Iftarempfang am 21.06.2016 in Berlin:

Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen

Ich begrüße ganz herzlichst den heutigen Ehrengast, den stellvertretenden Bundeskanzler und Bundesminister, Herrn Sigmar Gabriel, und den Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland. Sehr geehrte Vertreter des diplomatischen Corps, Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche und Vereinigungen und weiteren religiösen Vereinen, Politiker der Bundes- und der Landesebene, sowie Vertreter der Wissenschaft und gesellschaftlichen Stiftungen, verehrte Geschwister aus den islamischen Verbänden! 
Sehr geehrte Damen und Herren, ich heiße Sie alle herzlichst Willkommen.

Der heilige Monat Ramadhan ist ein Segen! Die Tore des Paradieses stehen weit offen. Und gleichermaßen sind die Arme der Gläubigen allen Menschen weit geöffnet. Es ist der Monat, in dem jeder Muslim aufgefordert ist, seine Wünsche und Bedürfnisse weit unterzuordnen. Und seinen Akhlaq – sein Verhalten gegenüber allen Mitmenschen – bis zur Makellosigkeit zu verbessern.
Dieses heilige Bestreben ist uns allen gemeinsam. Natürlich versteht es auch jeder Christ oder Jude als erste Pflicht, gegenüber seinen Mitmenschen nur sein bestes Verhalten zu zeigen. Auch die übrigen Religionen und der Humanismus teilen dieses Bestreben. Dies hat unsere Gesellschaft in den letzten Jahren eindrucksvoll im Umgang mit den Geflüchteten unter Beweis gestellt. So hat die Bundesregierung über eine Million Geflüchtete aufgenommen. Das ist EU-weit einmalig. Auch der größere Teil unserer Zivilgesellschaft hat gemeinsam – im Miteinander und im Füreinander – die Angekommenen begrüßt, versorgt und in unserer Mitte aufgenommen.

Es gibt jedoch radikale Kräfte, die an den Grundfesten unserer Gesellschaft rütteln. Die Gefahr kommt vor allem von Rechts. Viel zu lange wurde diese Gefahr nicht ernst genug genommen. Jetzt ist sie unübersehbar. Für den so verbreiteten Islamhass gibt es in den Medien jedoch kein Gegengewicht, wie beispielsweise für Antisemitismus oder Homophobie. Jüngste Erhebungen zeigen daher, dass erhebliche Teile der Bevölkerung zu fremdenfeindlichen, gar rassistischen Äußerungen neigen.
Dazu kommt, dass sich diese Entwicklung gar nicht auf den Islam begrenzt. Sie weitet sich vielmehr auch auf die übrigen Minderheiten aus. In der Folge droht jeglicher Fortschritt in den anderen Bereichen, speziell in der Bekämpfung von Fremden- und Judenhass, zunichte gemacht zu werden. Auch ist trauriger Weise zu beobachten, wie der Diskurs selbst immer weiter verroht und an seinen Grenzen in Gewalt übergeht.
Gerade viele schiitische Muslime leben nun in Angst vor Anschlägen durch radikale extremistische Gruppen wahabitischer Prägung, wie dem IS oder Al Qaida; Vergessen Sie nicht, die belgischen Extremisten dieser Prägung aus der Region Molenbeek/Anderlecht haben schon lange vor ihren schrecklichen Untaten in Paris einen Brandanschlag im Jahr 2012 verübt und dabei einen Menschen getötet. Dieses erste Opfer war ein schiitischer Gelehrter! Die Angst vor solchen Anschlägen ist unter schiitischen Muslimen nun allgegenwärtig. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich betroffen zu werden, sehr gering sein mag. 
Sehr hoch ist dagegen die Wahrscheinlichkeit, durch Fremden- und Islamhass getroffen zu werden. Unsere Lebensqualität ist beeinflusst. Die Politik hat hier ganz eindeutig verfehlt, diese Diskriminierung und offene Feindlichkeit zu analysieren. Man hätte Studien durchführen und mehr Gegenmaßnahmen ergreifen müssen, wie zum Beispiel Medienkampagnen. 
Wir von der IGS nehmen diese besorgniserregende Entwicklung äußerst ernst. Menschenfeindlichen und gewaltbereiten Elementen unserer Gesellschaft darf kein Raum zur Expansion gegeben werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie einen politisch extremen, oder einen religiös extremen Hintergrund haben. Niemals darf ihnen die Mitte unserer Gesellschaft als uninformiertes und anfälliges Publikum überlassen werden. Denen, die Gewalt ausüben und denen, die Gewalt befürworten, muss mit der ganzen Härte des Gesetzes und des gesellschaftlichen Diskurses begegnet werden. 
Noch befindet sich alles im Fluss. Die Menschen sind noch auf der Suche nach endgültigen Standpunkten. 
Hier gilt es, aktiv zu werden, zu informieren, in Kontakt zu treten, Vorurteile abzubauen und Gemeinsamkeiten herauszuheben. Wir müssen gemeinsam zeigen, dass wir alle gemeinsam schon längst die Mitte unserer Gesellschaft bilden.
Wir als IGS wollen unseren Beitrag leisten und stehen als Ansprechpartner für Politik und die Gesellschaft - Unsere Gesellschaft! - als Ganzes zur Verfügung.  
Durch unsere aktive Teilnahme an der Flüchtlingsarbeit erfüllen wir eine Doppelfunktion: Einmal indem wir Geflüchtete integrieren und einmal indem wir ihnen als gelebtes Vorbild von Integration dienen. So haben wir gemeinsam mit zwei sunnitischen Verbänden in diesem Jahr den Verband Muslimische Flüchtlingshilfe gegründet, der gestern sein erstes Projekt erfolgreich umgesetzt hat. Zudem hat die IGS ein Programm zur Sprachausbildung unserer Imame in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut eingeleitet und verschiedene Programme zur Prävention von religiös begründetem Extremismus.

Sie, Herr Gabriel, haben bereits von der anderen Seite einen Anfang gemacht, als sie für einen Dialog mit den Muslimen eingetreten sind und wurden dafür heftig kritisiert; Aber es führt kein Weg am Dialog vorbei. Wir müssen nun, mehr denn je, alle gemeinsam bedingungslos am selben Strang ziehen! Sonst verlieren wir ganze Teile der Bevölkerung an menschenfeindliche und gewaltbereite Elemente. Zur Dialogkultur unserer Gesellschaft darf es keine Alternative geben! 

Rufe zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung, und streite mit ihnen in bester Weise. Koran, 16:125
Ich bedanke mich sehr dafür, dass sie unserer Einladung gefolgt sind und mit uns unser Fasten brechen. Ich wünsche Ihnen noch einen gesegneten Abend.