Als vor einigen Wochen zwei Schüler in der Schweiz ihre Lehrerin nicht per Handschlag begrüßen wollten, wurde darüber eine mediale Kampagne ausgerollt. Es wurde eine Debatte losgetreten, in der die irreführende Losung „Unsere Gesellschaft – unsere Regeln“ hochgehalten wurde. Dabei wird dem unachtsamen Leser ganz unterschwellig ein „uns“ und „die“ entgegengesetzt, sodass er sich plötzlich die Frage stellt: „Wieso können sich die Muslime nicht einfach anpassen?“
Die wirklich entscheidenden Fragen werden bewusst nicht gestellt: Wieso wurde um diese zwei Schüler so ein Tamtam gemacht? Wahrscheinlich kennt jeder Muslim mindestens einen alten Mann, der schon vor 30 Jahren keiner fremden Frau die Hand gegeben hat, ohne dass es jemals irgendjemanden interessiert hätte. In Deutschland geschieht es tagtäglich, dass ein Mann oder eine Frau die Hand ausstreckt und der Muslim, die Muslima dieser höflich ausweicht. In vielen Krankenhäusern, Kinderarztpraxen, Universitäten und sicherlich auch an so mancher Schule sind die Mitarbeiter davon nicht überrascht. Vor der Geburt seines Kindes schlägt der diese Regel der Geschlechtertrennung praktizierende Muslim den Handschlag von zwei Oberärztinnen und vier Hebammen aus. Nach der Geburt verweigert seine Frau dem Kinderarzt im Krankenhaus und in der Praxis den Handschlag. Universitätsprofessoren, die ihren Studenten gerne persönlich zum Abschluss gratulieren, kommen hin und wieder in diese Verlegenheit, die die Kommilitonen der Muslima bzw. des Muslims schon kennen. Nie wurde ein größeres mediales Drama daraus konstruiert, als in dieser Zeit. Offensichtlich mit dem Ziel, das gesellschaftliche Klima zu vergiften.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass nun an einer Berliner Privatschule, der Platanus-Schule in Pankow, eine Lehrerin sich bei einem Gespräch mit muslimischen Eltern in Rage versetzte, weil nur die Mutter ihr die Hand gab. Bei ihr zeigte die vorangegangene Hetze offenbar Wirkung. Medienberichten zufolge soll sie den Vater, den Berliner Imam Kerim Ucar, mehrfach dazu aufgefordert haben, ihr die Hand zu geben. Eine Geste des Respekts und der Gottesehrfucht empfand sie als das genaue Gegenteil: als eine Geste der Verachtung. Es bringt nichts anderes als ein Überlegenheitsgefühl zum Ausdruck, wenn man anderen Menschen nicht zugesteht, eine andere Intention gehabt zu haben, als die, die man selbst darin erkennen möchte.
Als der Vater sich entschuldigte und auf seine Religionsfreiheit verwies, platzte der Lehrerin der Kragen. Sie warf Herrn Ucar wüste Beschimpfungen und Beleidigungen an den Kopf – was sie mittlerweile bedauern wird – und brach das Gespräch ab. Welche Beschimpfungen es nun auch gewesen sein mögen, die die Eltern sich anhören mussten: Kerim Ucar erstattete Strafanzeige.
Ein von Überreaktionen gekennzeichnetes Ereignis, das im Kern jedoch mückenhaft unspektakulär ist, wird zur elefantenhaften Debatte missbraucht, die äußerst offensiv vonseiten einiger Medien geführt wird. Die springersche Welt betont in einem Artikel von Kathrin Spoerr: „Wenn du in eine Moschee gehst, richte dich nach den Regeln der Moschee“, und überlässt es den hasserfüllten Kommentaren ihrer Leser zu folgern: „Wenn du nach Deutschland kommst, richte dich nach den deutschen Regeln. Wieso passt er sich nicht unseren Regeln an? Am Ende müssen wir uns den Muslimen anpassen.“
Wieder das übliche „wir“ und „die“, auf das auch so mancher Muslim schon reingefallen ist. Das armselige Weltbild des Integrationsverweigerers, der hier geboren ist, wurde bereits hier erörtert. Und so steht wieder einmal die Frage im Raum, wie frauenfeindlich die praktizierenden Muslime seien. Im ganzen Artikel gelingt es Frau Spoerr auszublenden, dass auch die muslimischen Frauen, die diese Regel praktizieren, fremden Männern nicht die Hand geben, es sich also um eine absolut symmetrische Regel handelt, die weder ein Geschlecht bevorzugt noch benachteiligt.
Die Schule hat klugerweise jede Stellungnahme verweigert, um die Sache intern zu Regeln.
Mal schauen, wann man in Deutschland folgenlos selbst entscheiden kann, wem man die Hand schüttelt und wem nicht. Die mediale Spalterei und Scharfmacherei wird auch in Zukunft aufflammen. Den Anlass suchen sich die Scharfmacher selbst aus. Welche Lehre sollen die Muslime daraus ziehen? Dass man mit ihnen nicht eher zufrieden ist, bis sie den Islam ablegen?
Der Imam hat seinen Sohn unterdessen von der Schule abgemeldet. Das Vertrauen sei zerrüttet.