AhlolBayt News Agency (ABNA)

source : offenkundiges
Dienstag

21 Juni 2016

06:40:34
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Das Fasten des Ignoranten

Gesegnet sei Muhammad und seine reine Nachkommenschaft und gesegnet sei der Monat Gottes, der Monat Ramadan.

Gesegnet sei Muhammad und seine reine Nachkommenschaft und gesegnet sei der Monat Gottes, der Monat Ramadan.

Wie jedes Jahr bin ich traurig, wenn ich feststellen muss, dass ich den Monat Ramadan noch nicht verstanden habe. Immer noch habe ich das Gefühl, dass dieser Monat für mich so vergeht, wie alle anderen Monate auch – mit dem wesentlichen Unterschied, dass ich am Tage weder essen noch trinken darf. Ich empfinde wirklich tiefe Trauer in mir, wenn ich beobachte, wie ich diesen Monat nicht zu schätzen weiß.

Wenn ich lese, wie Imam Zain-ul-Abidien (a.) durch die Straßen gelaufen ist, wie Freude seine Persönlichkeit prägte, während er diesen Monat begrüßte und wie er die Menschen darauf aufmerksam machte, in was für einen Segen sie sich begeben haben und wie er stark weinte, sobald dieser Monat sich dem Ende neigte, und Trauer seinen Leib ergriff, dann komme ich zu der Erkenntnis, dass ich nicht verstanden habe, in was für einem Monat ich mich befinde. In einem Monat, über den gesagt wird: „Wenn die Fastenden wüssten, welchen Segen dieser Monat mit sich bringt, so würden sie sich wünschen, dass dieser Monat das ganze Jahr über andauere.“ Ein mächtiger Wunsch, den ich nicht hege, wenn ich darüber nachdenke, dass ich so vieles nicht mehr tun könnte.

Ich könnte nicht mit Freunden am Tage essen gehen, ich könnte keinen Sport mehr treiben, ich könnte tagsüber nicht mehr einfach mal so naschen, ich könnte nicht bei schönem Wetter draußen Eis essen, ich könnte mit Freunden nicht Schischa rauchen. Das alles und vieles weitere mehr, was mich hindert, so einen Wunsch zu äußern. Warum sollte ich auch? Das würde sogar bedeuten, dass ich jeden Tag tagsüber hungern und bis zum Abend warten müsste, bis ich wieder essen darf. Kurz und knapp gesagt: Es wäre für mich eine Qual.

Beim Punkt mit dem Sport mögen einige aufschreien und sagen: „Sport ist im Islam Pflicht, dagegen kannst du nicht argumentieren!“ Stimmt, dagegen habe ich auch nichts einzuwenden, wer sagt denn, dass wir im Monat Ramadan keinen Sport treiben können? Gibt es nicht genug Fußballer, die in der prallen Sonne spielen und gleichzeitig fasten? Ich selbst bin, als ich jünger war, nur damit die Zeit schneller vergeht, drei Stunden Fußball spielen gewesen. Mein Bruder, der gerade mal vierzehn Jahre jung ist, geht eine Stunde vor dem Fastenbrechen laufen. Also wer behauptet, dass wir keinen Sport treiben können? Könnte es nicht sein, dass wir durch das Fasten lernen sollen, dass wir zu vielen Dingen fähig sind? Ich kenne den einen oder anderen, der meint, dass er in diesem Monat nicht fasten könne, da ihm der Verzicht auf Essen und Trinken am Tag zu schwerfalle. Gut, angenommen, man ist in diesem Punkt ungehorsam, was ist denn mit den anderen Punkten?

Hat man sich bemüht, über sich und über die Beziehung zu Gott nachzudenken, hat man sich vorgenommen, diesen Monat nicht zu sündigen, hat man versucht ein besserer Mensch zu sein, hat man sich wenigsten die Mühe gemacht sich in einer besseren Atmosphäre zu befinden? Wenn nicht, dann sollte man sich die Frage stellen, ob man überhaupt Interesse daran hat, ein Teil dieser unglaublich schönen Liebe zu sein.

Der Mensch von heute unterlässt alles, was schwierig ist – naja, fast alles. Denn zum Fitness gehen und zu pumpen bis zum Umfallen – das ist natürlich Pflicht. Wir haben den Monat Ramadan immer noch nicht verstanden. Ich meine, es kann doch nicht sein, dass der Monat Ramadan nur zum Verzicht gedacht ist. Es muss eindeutig mehr dahinterstecken.

Nehmen wir mal an, ich faste und bete, rezitiere den Qur’an und lese jeden Abend ein Bittgebet nach dem anderen. Am Ende des Monats Ramadan verabschiede ich mich mit Freude von diesem Monat, während er dies mit Trauer tut. Das Endergebnis ist, dass ich wie vorher lebe. Ich bin verschwenderisch mit den Gaben Gottes, ich habe die herrliche Bescheidenheit in diesem Monat als Last wahrgenommen, obwohl dieser Monat mich etwas lehren wollte. Ich habe Sünden nachzuholen, die ich in diesem Monat nicht begangen habe, vernachlässige mein Morgengebet doppelt und dreifach, bilde mich nicht weiter, faulenze noch mehr als vorher, meine Moral ist abscheulicher geworden und meine Frau will ich auch nicht mehr lieben.

Ist das der Effekt, der über das ganze Jahr andauern soll? Ist das die Liebe, die ich angenommen habe?

Wenn ein Reicher an unserer Tür klopfen würde und mit einer Aktentasche vor unserer Tür stehend uns beglückwünscht, dass wir eine Menge Geld plus ein Auto gewonnen haben, dann würden wir das annehmen und nur eine Frage stellen: „Gibt es noch was dazu?“

Aber wenn der Monat Ramadan uns begrüßt, dann sieht es ganz anders aus. „Welche Zeit ist die beste für mich?“, „Nur noch die letzte Zigarette!“, „Soll ich morgen reisen, um nicht fasten zu müssen?“, „O Mann, ich habe Hunger!“… Wir sollten über uns weinen, würden wir so denken.

O Herr, ich habe keinen Großzügigeren als Dich gesehen, der so geduldig ist, mit einem Gierigen und Sturen wie mich.