Der Gottesmonat Ramadan ist ein Monat, in dem sich das Falsche vom Richtigen trennen muss, sowohl in unseren eigenen Herzen als auch in unseren Blicken. Der wahrhaftig Fastende erhält die Gnade Gottes, durch sein Fasten in diesem heiligen Monat seine Seele zu reinigen und sich selbst derart zu erziehen und zu läutern, dass er zum erlauchten Kreis der wahrhaftigen Erlösungshoffenden gezählt werden darf. Ihm ist die Gnade des Miterlebens der Erlösung beschieden, unabhängig davon, ob er dann noch im Diesseits lebt oder im Jenseits.
Diese Unterscheidung bzw. das Unterscheidungskriterium [furqan], wie es im Vers 2:185 des Heiligen Qur’ans erwähnt wird, ist auch der Monat Ramadan und das Fasten darin. Diese Unterscheidung ist nichts Neues. Bereits bei zwei Söhnen von Adam konnte unterschieden werden zwischen demjenigen, der wahrhaftig liebt, und demjenigen, der hasst und neidet. Dieses Unterscheidungskriterium hat sich bis zum heutigen Tag nicht verändert, selbst wenn sich die Kains und Abels gewandelt haben. Es ist kein Unterscheidungskriterium zwischen dem absolut Bösen und dem wahren Propheten; solch eine Unterscheidung fällt leicht. Vielmehr ist es die Unterscheidung zwischen zwei Brüdern, die einander sehr ähnlich erscheinen, aber dennoch weit voneinander entfernt sind, weil ihre Seelen verschiedene Wege gehen.
Beim diesjährigen Eintritt in den heiligen Monat Ramadan erscheint es meiner Wenigkeit von Bedeutung, für uns Muslime in Deutschland einmal mehr die Faktoren aufzulisten, die einen freiwilligen und auch unfreiwilligen Diener der Unterdrücker der heutigen Welt von demjenigen unterscheiden, der sich bemüht, Gott zu dienen. Die Aspekte können sowohl dem gutherzigen Muslim helfen, seinen eigenen Weg zu korrigieren, falls versehentlich seine Maßstäbe durcheinandergeraten sind, als auch hilfreich sein, sich geeignete Freunde und Vorbilder zu suchen, um gemeinsam am Seil Gottes voranzuschreiten. In keinem anderen Monat ist das so gut möglich, wie in diesem Monat. Und in keinem anderen Monat ist eine Umkehr so leicht möglich, wie in diesem Monat! Selbst wenn man das ganze Jahr in die Irre gegangen sein sollte und das jetzt feststellt, kann eine aufrichtige Reue das ganze Leben im wahrsten Sinn des Wortes auf den Kopf bzw. in diesem Fall auf die Füße stellen.
Die heutigen Unterdrückersysteme wie Imperialismus, Kapitalismus und Zionismus vertreten durch USA, britisches System und Israel sind keine Geheimnisse. Jeder mit offenen Augen durch die Welt wandelnde Bürger, unabhängig davon, welcher Religion er angehört, kennt sie, selbst wenn er keiner Religion angehört und „nur“ Gerechtigkeit anstrebt. Die wahren Gegner jener heutigen Unterdrückersysteme, die im Qur’an mit Pharao, Taghut oder anders umschrieben sind, sind hingegen sowohl bei Muslimen als auch bei Nichtmuslimen umstritten. Noch schwieriger wird es dadurch, dass jene Systeme heutzutage im Gewand des Islam und sogar im Gewand der Schia auftreten und versuchen viele gutherzige Muslime zu verführen. Daher erlaube ich mir ein Unterscheidungskriterium, das jeder für sich selbst prüfen kann. Selbst wenn ihm die eine Seite der Medaille nicht gefallen wird, so wird er eventuell der anderen zustimmen. Zur Vereinfachung soll es tabellarisch gestaltet werden:
Die Einen | Die Anderen |
Sie wünschen das Gute für ihre Geschwister. Selbst für ihre Feinde wünschen sie Rechtleitung. | Sie wünschen die Verdammung für jeden, der nicht so denkt wie sie. |
Sie agieren vor allem gegen die Weltunterdrücker. | Sie agieren vor allem gegen Muslime. |
Israel gilt als wichtigstes Symbol des gegenwärtigen Unterdrückungssystems. | Israel kommt in ihren Aktivitäten nicht oder nur selten vor. |
Sie kämen niemals auf die Idee, Hilfe von anderen außer Gott zu ersuchen. | Sie erbitten Hilfe auch von Gegnern der Wahrheit. |
Sie begehen die Einheitswoche, als Symbol der Vereinigung von Sunniten und Schiiten. | Sie begehen in der gleichen Zeit die Woche der Lossagung von Sunniten. |
Sie demonstrieren beim Quds-Tag. Manche haben Angst (wovor auch immer), aber beten für die Teilnehmer. | Sie verachten die Teilnehmer des Quds-Tags. |
Sie lieben Imam Chomeini und beten für ihn. | Sie verachten Imam Chomeini, und ihre Anführer behaupten, dass er kein Muslim gewesen wäre. |
Sie lieben Imam Chamene’i, unterstützen ihn und beten für ihn. | Sie verachten Imam Chamenei, und ihre Anführer behaupten, dass er kein Muslim sei. |
Sie unterstützen die Statthalterschaft der Rechtsgelehrten (Wilayat-ul-Faqih). | Sie erklären die Statthalterschaft der Rechtsgelehrten (Wilayat-ul-Faqih) für unislamisch. |
Sie versuchen die Einheit der Existenz (Wahdat-ul-Wudschud) zu verstehen. | Sie erklären die Einheit der Existenz (Wahdat-ul-Wudschud) für Unlaube (Kufr). |
Sie lieben Ay. Bahdschat unter anderem für seine Mystik. | Sie verachten Ay. Bahdschat und haben ein gespaltenes Verhältnis zur Mystik. |
Sie versuchen die Menschen durch Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit zu gewinnen. | Sie versuchen die Menschen durch unvernünftige übertriebene Emotionen zu gewinnen. |
Sie lehnen Riten der blutigen Selbstgeißelung ab und versuchen es zu verhindern. | Sie bestehen auf der blutigen Selbstgeißelung und verurteilen jeden, der es ablehnt. |
Sie versuchen die Islamische Republik Iran zu unterstützen. | Sie beschreiben die Islamische Republik Iran nahezu mit den gleichen Worten, mit denen Israel den Iran beschreibt. |
Sie verurteilen Taliban, Al-Qaida, IS usw. als Ausgeburt eines weltweiten Verbrechersystems. | Sie verurteilen Taliban, Al-Qaida, IS als Sunniten. |
Sie lieben Ay. Muhamamd Baqr Sadr als großartigen Gelehrten seiner Zeit und Befreiungstheologien des Irak. | Sie hassen Ay. Muhamamd Baqr Sadr, weil er Imam Chomeini geliebt hat. |
Sie empfinden die Auflistung der Hisbullah auf Europas Terrorliste als ungerecht. | Sie interessieren sich nicht für das Schicksal der Hisbullah. |
Sie stehen an der Seite der Palästinenser, weil dieses Volk im Kernkonflikt der Zeit die Unterdrückten sind. | Sie interessieren sich nicht für die Palästinenser, weil sie Sunniten sind. |
Sie verfolgen die Sendungen, die aus dem Iran ausgestrahlt werden. | Sie verfolgen die Sendungen, die aus England ausgestrahlt werden. |
Sie schmähen nicht die von Sunniten geehrten Persönlichkeiten der islamischen Geschichte, weisen aber kritisch auf geschichtliche Ereignisse hin. | Sie bestehen darauf, die von Sunniten geehrten Persönlichkeiten der islamischen Geschichte öffentlich zu schmähen. |
Zu Aschura führen sie einen Friedensmarsch durch die Stadt und verteilen Blumen mit Aussagen des heutigen Al-Husseini. | Zu Aschura führen sie einen Selbstgeißelmarsch durch die Stadt, u.a. mit nackten Oberkörpern. |
Sie verhalten sich monatelang ruhig gegen alle Angriffe und Unverschämtheiten und reagieren erst, wenn es ihrer Meinung nach nicht mehr anders geht. | Sie provozieren das ganze Jahr, schmähen, machen lächerlich, nennen das Kritik und reagieren dann extrem dünnhäutig, wenn sie selbst kritisiert werden, denn sie betrachten sich als nicht kritisierbar. |
Sie beten auch im Monat Ramadan für jene, die sie schmähen. | Mir unbekannt. |
Sie zeigen jedem Gelehrten gegenüber Respekt und achten auch das Alter. | Sie stellen Ultimaten gegenüber großen Gelehrten und gehen respektlos mit ihnen um. |
Sie wissen, dass Lügen eine der schwersten Sünden im Islam ist. | Sie verbreiten Lügen, wenn es ihrer Sache zu dienen scheint. |
Sie hören auf die Respektspersonen ihres Vertrauens und ihrer Wahl. | Sie akzeptieren kaum eine Respektsperson. |
Sie sind traurig, wenn das Schicksal ihnen die Gelegenheit gibt, ihre Wahrhaftigkeit zu beweisen, wenn es auf Kosten der Geschwister geht. | Sie freuen sich über jede noch so scheinbare Gelegenheit, ihre eigene Ansicht gegen die Geschwister durchzusetzen. |
Sie planen die Zukunft ihrer Enkel und Urenkel und richten ihre irdischen Handlungen danach aus. | Sie planen für ihren eigenen Ruhm. |
Ihre Aktivitäten nutzen den meisten Menschen, selbst denjenigen, die sie schmähen. | Ihre Aktivitäten nutzen nicht einmal ihnen selbst. |
Obige Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Jeder Leser wird festgestellt haben, dass es in Deutschland kaum jemanden gibt, der die eine oder andere Seite uneingeschränkt erfüllt. Selbst wenn meine Wenigkeit es sich wünschen würde zu den Einen zu gehören, so würde ich bestenfalls von mir behaupten, dass ich mich diesbezüglich versuche zu bemühen. Genauso gibt es auch keine Leute, welche die andere Seite vollständig erfüllen – Gott sei Dank! Aber anhand der Tendenz, der eigenen Ausrichtung, der inneren Einkehr und der Selbstbefragung kann jeder für sich selbst erkennen, welcher Richtung er mehr zugeneigt ist und versuchen sich diesbezüglich weiter zu entwickeln. Der heilige Monat Ramadan bietet hierzu eine wunderbare Gelegenheit.
In diesem Sinn wünsche ich alle Geschwistern, unabhängig davon, an welchem Startpunkt sie sich beim Lesen dieser Zeilen befinden, den Segen Gottes und einen gesegneten Monat Ramadan in der Hoffnung, am Ende des Monats die Ideale des Islam gemeinsam anzustreben, denn der Weg ist das Ziel.