Es liegt es in der menschlichen Natur, gerne zu teilen. Der Mensch ist entgegen vielen Behauptungen kein egoistisches Wesen. Insofern sind soziale Netzwerke vielleicht doch eine Antwort auf das Bedürfnis mit (Mit-)Menschen immer in Kontakt zu bleiben. Soziale Netzwerke sind nicht das Werk des Teufels. Ich persönlich verbringe jeden Tag einen Teil meiner Zeit in den sozialen Netzwerken und finde, dass ein gesunder Umgang damit ein unverzichtbarer Teil des modernen Lebens ist. In Deutschland pflegt man noch eine sehr kritische und zurückhaltende Meinung zu sozialen Netzwerken, was angesichts Spionage-Affäre berechtigt erscheinen mag.
Doch ich möchte nicht über das Für-und Wider von sozialen Medien sprechen, sondern über eine Kultur der Zurschaustellung schreiben, welche ich in starkem Maße täglich beobachten kann.
Mein Auto, mein Handy, meine Sonnenbrille, mein Besitz, mein …
Viele kennen es, die auf Instagram unterwegs sind: Menschen inszenieren ständig sich selbst. Dass die Mehrzahl der Profile nicht der Realität einer Person entspricht, liegt auf der Hand. Vielmehr wird es problematisch, wenn ständig materielle Werte in den Vordergrund gestellt werden. So wird der Stern des Autos fotografiert, der Pony-Reiter des Polo-Shirts, das Karo-Muster der Handtasche etc. Vermehrt treten materielle Gegenstände auf, mit denen sich junge orientierungslose Muslime zu definieren versuchen. Aus einfachem Kaffee mit Freunden wird schnell ein Treffen der angeblichen Wirtschaftsbosse. Die Liste lässt sich ewig fortsetzen, so werden Hotelzimmer gefilmt, mit Autos posiert, das neueste Handy mit dem Autoschlüssel gepostet etc.
Warum stellt es ein Problem dar?
Nun muss man sich Gedanken machen, ob dieses exzessive Verhalten mit der aufrichtigen Moral des Islam gut vereinbar ist. Ein Muslim geht nicht satt ins Bett, wenn der Nachbar Hunger hat. Junge Menschen posten so ziemlich alles, was sie tun. Sie fotografieren ihr Mittagessen, mit dem Kommentar versehen, dass es so toll geschmeckt habe. Dadurch, dass man es ins Internet stellt, macht man dies, wenn man seinen Account nicht geschützt hat, weltweit zugänglich, sodass auch Menschen es sehen können, die sich nach so einem Mittagessen sehnen. Man muss sich das genau vorstellen, welche Dimensionen das erreichen kann. So sehe ich oft, dass entweder sehnsüchtig oder neidisch die jeweiligen Fotos kommentiert werden.
Materialistische Kultur
In der materialistischen Kultur zählen nur Werte, die auf Besitz und Luxus beruhen. In der materialistischen Kultur ist es nicht wichtig, wer man ist, was man denkt, wie nützlich man seinen Mitmenschen ist, sondern nur, was man hat. Der Wert eines Menschen wird nach seinem Besitz bestimmt. D.h. der Mensch wird im Grunde auf eine Ware reduziert, welche wertvoll ist, wenn sie beispielsweise viel Geld besitzt oder viele Besitztümer angehäuft hat. Nach dieser Logik ist ein Mensch mit einem 70 € Poloshirt und einer 100 € Jeans etwas Wertvolleres, etwas Besseres als jemand mit einem 5 € Oberteil und einer 20 € Hose. Nur äußere (materielle) Werte, die man offensichtlich sehen kann, tragen dazu bei, dass dem Menschen Anerkennung und Ansehen zuteilwird.
Dadurch, dass man Fotos seiner neuesten Besitztümer teilt, seine (Marken-)Klamotten zur Schau stellt, macht man sich unfreiwillig zum Botschafter dieser materialistischen Kultur. Ein großer Fehler ist es, diese (schwachsinnige) Kultur nachzuahmen. Diese Kultur hat viele Facetten und versteckte Marketingstrategien. So wird sie einmal exportiert, indem man sagt, dass eine Sache modisch sei, mal wird etwas als „hip“ und „in“ bezeichnet, mal ist es der neueste Trend, mal angeblich das Nötigste und Wichtigste des menschlichen Lebens.
Problematisch ist die Implementierung dieser (materialistischen) Kultur auch dadurch, dass sie Sehnsüchte und nicht vorhandene oder unnötige Bedürfnisse in Menschen erzeugt. Menschen, die sehen, wie teure Autos als etwas Tolles angepriesen werden, verspüren auf einmal das Bedürfnis, selbst so etwas zu besitzen. Dies kann in weiterer Ausprägung zu einem Konkurrenzdenken führen, zu einem Wettbewerb, wer sich die teuersten Güter leisten kann. Menschen, die sich dann diese scheinbar tollen Güter nicht leisten können, verspüren Unterlegenheit und Minderwertigkeit. Neid und Unzufriedenheit sind häufig auftretende Zeichen. Als einfaches Beispiel dienen Schülerinnen und Schüler, die wegen ihrer vermeintlich markenlosen Schuhen und Klamotten in der Schule gemobbt und gehänselt werden. Dass dies eine total sinnfreie Kultur ist, ist vielen beim Posten solcher Fotos nicht bewusst.
Islamische Lebensweise vs. materialistische Kultur
Doch wie sollte sich ein Muslim in den sozialen Netzwerken hinsichtlich des Postens benehmen? Der Islam ist die Religion der Bescheidenheit und Demut. Besonders hinsichtlich des sich nahenden islamischen Fastenmonats Ramadan ist es doch sinnvoll, sich einige Gedanke darüber zu machen. Ein Muslim preist die Größe und Gnade Gottes an, nicht den Wert materieller Gegenstände.
Ein Muslim achtet in der Öffentlichkeit auf sein Benehmen und auf seine Handlungen. Er muss sich fragen, was er damit bezwecken möchte, wenn er seine neue Markenarmbanduhr in die Kamera hält und sie demonstrativ seinen Followern zeigt. Bevor er handelt, denkt er darüber nach, was und warum er etwas in die Welt setzt. Seine bescheidene Lebensweise gilt es auch in den sozialen Netzwerken zu bewahren.
Die materialistische Kultur ist die Kultur des Protzens, der Angeberei, der Selbstinszenierung. In dieser Kultur bilden Konsumgüter, materielle Gegenstände eigene Werte, d.h. sie geben dem Leben einen Sinn, wonach der Mensch mit den meisten materiellen Werten der Vervollkommnung am nächsten kommt. Das lässt sich auch leicht daran erkennen, wenn man hört, dass dieser und jener Mensch „erfolgreich“ sei, weil er „soviel Kohle und so viele Autos und ein Haus“ usw. besitze. Der alleinige Faktor für ein gelungenes Leben sind dann ausschließlich materielle Werte. Werte, die in der islamischen Kultur nicht als ein Wert gezählt werden, sondern als Gegenstände des diesseitigen Lebens und als Werkzeug, ja als Spielzeug, welches keine Beachtung verdient und dessen Vorhandensein oder Nichtvorhandensein keine Rolle für die menschliche Vervollkommnung spielt.
Insofern ist vor allem der Monat Ramadan eine gute Gelegenheit, sich darüber Gedanken zu machen. Das Fasten in diesem Monat kann zu neuen Erkenntnissen führen und den Menschen gegenüber weltlichen Versuchungen stärken.