Unter den Deutschen, die zum Islam konvertieren, gibt es eine seltsame Erscheinung, die man immer wieder bei ihnen beobachten kann. Viele von ihnen konvertieren nämlich nicht lediglich zum Islam, sondern werden gleichzeitig auch zu Orientalen. Derselbe Deutsche, der vorher akzentfreies und perfektes Deutsch gesprochen hat, eignet sich plötzlich einen Orientalenslang an und beginnt sich in seiner Muttersprache auf eine gebrochene Art und Weise auszudrücken. Um das Ganze zu betonen, würzt er seine Sätze mit zahlreichen arabischen Einschüben, weil er sich dann islamischer fühlt. Manche gehen so sehr in ihrer Orientalenrolle auf, dass sie, obwohl sie von Natur aus ein ruhiges Gemüt haben, nun beim Sprechen volles Temperament aufkommen lassen. So jemand fuchtelt bei einer Diskussion auch Mal derart gekonnt mit seinen Händen durch die Gegend, dass selbst der heißblütigste Prediger aus dem Maghreb neben ihm wie ein Gestikulationsverweigerer erscheint.
Ganz krass wird es dann, wenn der Konvertierte, selbst deutschen Ursprungs, nun beginnt von „den Deutschen“ zu sprechen, während er seinen Mund derart verzieht, als hätte er gerade auf einer Zitrone gekaut. Wenn er diesen Zustand erreicht hat, ist die Metamorphose bereits fast vollständig abgeschlossen. Jetzt muss er nur noch im Orientbasar vermeintlich islamische Kleidung kaufen, also irgendeine Tracht, die wahlweise normalerweise irgendwo in Pakistan oder einem Golfaraberland getragen wird. Es reicht nicht aus, dass er die Regeln der islamischen Bekleidungsmoral beachtet, richtig islamisch ist es erst dann, wenn eine Art Ali-Baba-Feeling aufkommt, denn nur so kann man ein waschechter Muslim werden.*
Zugegeben, diese Beschreibung klingt ein wenig zugespitzt, aber sie ist dennoch nicht komplett aus der Luft gegriffen und es gibt tatsächlich Konvertierte, die all diese Dinge (und sogar noch weitere nicht genannte Eigenschaften) gleichzeitig erfüllen. Und an diesem Zustand sind die „Ursprungsmuslime“ keineswegs unschuldig. Oft geben sie den Neumuslimen ein Gefühl, als wäre ihre deutsche Mentalität nicht richtig. Als könne man nur ein richtiger Muslim sein, wenn man ein Orientale wäre. Man bringt den Konvertierten in Zugzwang, sich für seine deutsche Eigenarten oder den Islam zu entscheiden, gibt ihm das Gefühl, als sei beides gleichzeitig der größtmögliche Widerspruch, der bestehen könnte. Als würde es nicht reichen, dass ganze Generationen von Migrantennachkommen innerlich durch Identitätskonflikte zerrissen wären, nun muss auch der Deutsche, der den Islam für sich entdeckt hat, eine Entscheidung fällen, ob er nun weiterhin ein Deutscher bleiben kann oder fortan als Araber, Türke oder Iraner leben möchte. Dieser Konflikt kann und muss in Bezug auf die muslimischen Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund behoben werden.
Die Konvertierten selbst können und sollten hierfür ihren Anteil leisten, indem sie selbstbewusster auftreten und es als selbstverständlich erachten, dass sowohl das Deutsch- als auch das Muslimsein ein natürlicher Bestandteil ihrer Identität ist. Hierbei sollten sie sich vielmehr der deutschen Tugenden bewusst werden, die allesamt gleichzeitig auch islamischen Tugenden entsprechen. Auch wenn einige orientorientierten Muslime dann solche Maximen wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit abfällig als „deutsch“ bezeichnen, sollte sich ein Konvertit solche positiven Eigenschaften niemals abgewöhnen, sondern sich noch viel stärker auf sie berufen; und zwar deshalb, weil er ein Muslim ist und auch deshalb, weil er ein Deutscher ist. Ein deutscher Muslim. So Gott will – Insha Allah.
Euer Bruder Sajjad
*Natürlich ist, je nach Ort, an sich nichts gegen eine solche Kleidung einzuwenden. Es geht hier nur um die Problematik, wenn orientalische Kleidung mit orientalischen Mustern automatisch als islamische Kleidung oder gar „Sunnah-Kleidung“ betrachtet und bezeichnet werden.