Die Religion allein ist es nicht. Wenn Jugendliche plötzlich zu Islamisten werden, dann liegt es sicher nicht daran, dass Religion an sich für sie so attraktiv ist. "Diese Jugendlichen haben keine Ahnung von der Religion und tieferer Ideologie", sagt Thomas Mücke.
Der 58-jährige Geschäftsführer des "Violence Prevention Network" weiß das aus der Praxis, aus seinen zahllosen Gesprächen, die er mit Jugendlichen geführt hat: mit jungen Menschen, die sich einem vermeintlichen Islam so sehr verschrieben haben, dass sie sogar bereit waren oder wären, in seinem Namen in den Kampf zu ziehen.
Mückes Netzwerk mit Sitz in Berlin berät mehr als 150 radikalisierte, überwiegend männliche Jugendliche. Viele von ihnen standen kurz vor der Ausreise nach Syrien. Manche sind von dort bereits zurückgekehrt, mittlerweile als junge Erwachsene. Mücke und seine Leute wollen ihnen einen Ausweg anbieten aus der Spirale von Ideologie und Gewalt.
Wut und Frust ventilieren
Die meisten der radikalisierten Jugendlichen, mit denen Mücke zu tun hat, sind religiöse Laien. Der Islam, so hat es der französische Politikwissenschaftler Olivier Roy beschrieben, werde solchen Jugendlichen falsch erklärt. Sie entdecken nämlich weder den kulturellen noch den traditionellen Islam für sich.
Stattdessen schließen sie sich der Gewalt predigenden, dschihadistischen Fraktion der Salafisten an. Das sei eine bewusste Entscheidung, so Roy. Die Jugendlichen suchten sich jene Strömung aus, in welcher sie ihre Wut und ihren Frust ventilieren können. Vor allem aber suchten sie nach einem Umfeld, in dem sie ihre Vorstellung von heldenhafter Männlichkeit ausleben können, für die die westliche Gesellschaft aus ihrer Sicht so wenig Raum lässt.
source : spiegel
Dienstag
17 Mai 2016
06:41:42
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Wenn sie um Jugendliche buhlen, setzen Salafisten auf übermännliche Heldenbilder und passgenaue Stereotypen. Mit Erfolg, die Szene wächst.