Es geht um gegenseitige Akzeptanz und Respekt, aber auch einfach darum, gemeinsam einen sonnigen Frühlingstag zu genießen – Freizeitspaß und Ernst liegen nah beieinander an diesem Nachmittag. Am Sonntag hat das islamische Zentrum in der Blauen Moschee an der Außenalster zum Tag der offenen Tür geladen.
Jeder Interessierte durfte kommen – bei Kuchen und Tee sollten Vorurteile abgebaut und Verständnis aufgebaut werden, so das Ziel der Veranstalter. In Zeiten, in denen hierzulande die AfD gegen den Islam hetzt und tausende Flüchtlinge integriert werden müssen, ein wichtiger Termin.
Zwei ältere Damen in Shorts und bunten Blusen bestellen Reisgerichte und Crèpes, an den Biertischen lassen Touristen das Wochenende Revue passieren. Neben ihnen spielen junge Mädchen mit Kopftüchern Fangen mit einem kleinen Jungen, in der Mitte des Vorgartens der Blauen Moschee plätschert ein Brunnen vor sich hin.
Wenn man ein Idealbild von einem friedlichen Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen in Hamburg zeichnen sollte, wäre diese Motiv dafür wie gemacht. Die Sonne scheint an diesem Sonntag, am Muttertag, der Prachtbau in der Schönen Aussicht funkelt, draußen wird gebastelt und geplaudert, drinnen gebetet. Neben dem Eingang zum Gelände des islamischen Zentrums erklären drei junge Frauen einer Besucherin, wie man ein Kopftuch vernünftig bindet. Alle Beteiligten müssen dabei ziemlich oft lachen.
Imam kritisiert die Medien scharf
In seinem Büro im hinteren Teil der Moschee sitzt Ayatollah Reza Ramezani in einem Sessel, seine Füße stecken in Lederschlappen, die Hände ruhen im Schoß. Tage wie dieser, sagt der Imam, seien wichtig für die Zukunft dieses Landes. Wichtig für ein Zusammenlaben ohne Hass, dafür mit viel gegenseitigem Verständnis. Er stehe für einen offenen Islam, sagt der Mann mit weicher Stimme. Während des Gesprächs verändert sich sein Gesichtsausdruck nur wenig, seine Gesichtszüge wirken freundlich.
Doch der Imam, der das islamische Zentrum in der Blauen Moschee leitet, findet schnell auch klare Worte, nutzt das Gespräch für eine umfassende Medienkritik – das Islam-Bild, das in der Öffentlichkeit verbreitet werde, sei oft ein völlig falsches, sagt er. Verzerrt und unausgewogen – viele Muslime in Deutschland würden sich dadurch ungerecht behandelt fühlen.
Interviews gebe er deshalb äußerst ungern, zu oft sei auch er enttäuscht worden. "Es wird bestimmten Meinungsmachern eine Plattform geboten, die Angst und Schrecken verbreiten", sagt Ayatollah Reza Ramezani, viel zu oft gehe es um Extremisten, viel zu selten um die Mehrheit seiner Glaubensbrüder, die sich klar von der kaltblütigen Gewalt der IS-Schergen distanzieren würden. "Das führt dazu, dass diese Unmenschlichkeit immer mit dem Begriff Islam in Verbindung gebracht wird", sagt der Imam. Auch deshalb würden Parteien wie die AfD so viel Zuspruch bekommen, ist er überzeugt. Der Imam macht deutlich: Während mit Sadiq Khan in London der erst Muslim zum Bürgermeister einer europäischen Metropole gewählt wurde, wird der Islam hierzulande noch immer viel zu sehr in die Extremismus-Ecke gestellt. Gerade deshalb seien Veranstaltungen wie der Tag der offenen Tür so wichtig.
"Seit inzwischen mehr als 55 Jahren ist dieses Zentrum ein Zentrum, in dem der Dialog gelebt wird und der gegenseitige Respekt der Religionen und ihrer Vertreter gefördert wird", sagt der Mann mit dem weißen Bart und der Brille. Der Tag der offenen Tür diene dazu, den Menschen in Hamburg den direkten Austausch mit den Gläubigen und mit Islam-Experten zu ermöglichen. Mit Menschen, die seit Jahren den Koran studierten und deshalb wüssten, wovon sie sprechen. Es sei wichtig, dass Besucher ihre Fragen direkt stellen dürften, dass sie ihre Informationen nicht nur nur über Dritte vermittelt bekämen. Auch Islam-Kritiker seien in der Blauen Moschee willkommen.
Hamburg als Vorzeigestadt für Toleranz
Wie gut das Zusammenleben mit den vielen Muslimen, die in den vergangenen Monaten nach Deutschland geflüchtet sind, in Zukunft funktionieren wird, hänge natürlich auch davon ab, wie integrationswillig die Menschen seien, sagt der Imam. Doch die Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland, dürfe auch nicht nur ein Spruch sein. "Wenn die Muslime das Gefühl haben, dass das auch so gelebt wird, kann die Gesellschaft zu einer Gesellschaft des Miteinanders werden", sagt Ayatollah Reza Ramezani. Und lobt im selben Atemzug die Hansestadt.
In Hamburg laufe der Dialog vorbildlich, findet der Imam. Diesen Austausch wünsche er sich für ganz Deutschland. Man müsse dringend den "Angstfaktor des Ungewissen und des Unbekannten" beseitigen. Und der Imam appelliert auch an seine eigene Glaubensgemeinschaft: "Wir alle müssen den Dialog ernst nehmen", sagt er. Wer sich vernünftig mit dem Koran auseinander setze, neige auch nicht zum Extremismus, ist er überzeugt.
Und der Imam mahnt zur Geduld: "Die Flüchtlinge stammen aus anderen Kulturen, sie sprechen andere Sprachen. Es ist gewiss so, dass viele Werte, die die deutsche Gesellschaft ausmachen, ihnen unbekannt sind", sagt er. Es müsse deshalb dafür gesorgt werden, dass diese Menschen in die Gesellschaft eingeführt würden. Man müsse ihnen erklären, wie die Deutschen ticken. Die Anwesenheit der Muslime in Europa, sagt Ayatollah Reza Ramezani, sei eine Chance. Und keine Bedrohung.