Der 24. April war einer dieser Tage, an denen Österreich es wieder einmal in die internationalen Schlagzeilen schaffte. „Haben sich die ÖsterreicherInnen denn wieder um Ampelmännchen gestritten?“ denken sich viele. Nein, keine Ampelmännchen, keine Frauen aus dem Keller befreit – Österreich hat einen potenziellen Bundespräsidenten gewählt. An sich doch recht unspektakulär, wenn da nicht die politische Gesinnung eines unserer Kandidaten wäre.
Während die Rechtspopulisten Europas von Wilders über Le Pen bis AfD ihrem Kameraden zum Wahlerfolg gratulieren, zeichnet die Wahlanalyse ein trübes Bild über die österreichische Bildungspolitik. Im Durchschnitt wählten mehr Personen insbesondere Männer mit geringem Bildungsabschluss Norbert Hofer. Vermehrt Frauen und Personen mit einem höheren Bildungsabschluss setzten ihr Kreuz beim „Professor“, wie seine WählerInnen Alexander Van der Bellen liebevoll nennen.
Diese Verteilung des Bildungsgrades darf aber zu keinem Grund der Arroganz werden. Noch dürfen wir uns auf den Lorbeeren ausruhen. Wir müssen uns die Frage stellen, wie es, vor allem in Österreich, zu so einem Rechtsruck kommen konnte und weshalb die Bevölkerung einen -für viele unbekannten- Politiker wählt. Teil der Begründung ist der Charme, den dieser Mensch verkörpert. Die Menschen vertrauen ihm, weil er sympathisch wirkt, was sich hinter der Fassade verbirgt interessiert sie kaum. Jedoch ist tatsächlich, nicht alles was glänzt Gold.
Mit Schuld sind aber sowohl die SPÖ als auch die ÖVP, die wenn auch nicht bewusst, in der Flüchtlingsthematik Hofer und der FPÖ in die Hände gespielt haben. Die Lähmung der Regierung angesichts dieses Problems, die Tatsache, dass sie Rückgratlosigkeit in ihren Werten zur Sozialdemokratie bewiesen haben, führte schlussendlich dazu, dass die FPÖ als einzige Partei mit einer Meinung zum Thema dastand. Als die SPÖ und ÖVP dann in den letzten Nationalratswahl eine Umverteilung der Stimmen zugunsten des rechten Lagers bemerkten, passten sie ihre Ideologie dem Volk an und verfolgten ebenso einen rechten Kurs, um die verlorenen WählerInnen zurückzugewinnen. Ihre Taktik, die FPÖ rechts zu überholen und damit die verlorenen Wählerstimmen wieder zurückzugewinnen, ging und geht aber nicht auf, sondern bestätigte Blau-WählerInnen in ihrer Entscheidung.
Dass man Prognosen nicht blind vertrauen sollte, haben wir am 24. April gesehen, denn alle Umfragen sahen Hofer auf Platz zwei, Van der Bellen hingegen auf Platz eins. Polit-Experten sind momentan jedoch ebenso ratlos wie jeder andere Laie. Die Chancen für Van der Bellen könnten nichtsdestotrotz sehr hoch stehen, da der 75-Jährige möglicherweise auf Stimmen der ehemaligen Hundstorfer- (SPÖ) und Khol- (ÖVP) Wähler setzen kann. Wichtig für diese Wahl ist, dass Van der Bellen und seine AnhängerInnen weiter Überzeugungsarbeit leisten und nicht in die Offensive gegen Hofer übergehen. Argumente gegen Hofer stellen für seine Wähler meist Gründe für dessen Sympathie dar. Beharrliches Pochen auf eben diese, würde Hofer in seiner Position nur stärken.
Auswirkung auf Muslime
Die kommenden Wahlen sollten speziell für MuslimInnen von großem Interesse sein, da Norbert Hofer, der Ehrenmitglied bei der pennalconservativen Burschenschaft ist und als Bundespräsident die Islamophobie in Österreich noch salonfähiger machen wird- falls das im Hinblick auf die gegenwärtige Situation überhaupt noch möglich ist.
Die große Mehrheit der Muslime muss sich die Frage gefallen lassen, weshalb die Ergebnisse der Bundespräsidentschaftswahl bei vielen kein Achselzucken hervorrief. Für die Googlefaulen unter uns: Norbert Hofer spricht sich für ein Kopftuch- und Minarettenverbot aus und ist der Meinung der Islam gehöre nicht zu Österreich. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass der neue Bundespräsident die jetzige Regierung ablöst und es zu Neuwahlen kommt. So wie es jetzt aussieht würde eine Mehrheit der FPÖ bei den Nationalratswahlen viel gravierendere Auswirkungen auf die Muslime haben als die BP-Wahl an sich. Und auch wenn die Regierung nicht abgelöst werden würde, würde Hofer der FPÖ den Weg in die Regierung vorbereiten.
Nach all diesen Forderungen sollten alle Alarmglocken läuten, jedoch hat man eher das Gefühl, dass viele von einer Koffer-Pack-Alternative träumen, anstatt sich die Mühe zu machen von ihrem demokratischen Recht Gebrauch zu machen und die Wahlurne aufzusuchen und -noch besser- andere dazu zu animieren.
Wir würden uns die Energie wünschen, die man an den Tag legt, wenn ein türkischstämmiger Kandidat zur Wahl steht. Die Euphorie und das Engagement unter Muslimen sind in diesen Zeiten beispielhaft. Als Resul Ekrem Gönültas zum Beispiel zur Wahl stand, wurden die alten „Tanten“ bei uns in der Moschee, die weder lesen noch schreiben konnten, nach dem Koran-Unterricht zur Wahlurne begleitet. Oder als die zahlreichen „Onkel“, die letztes Jahr in Wien an der Demonstration gegen den österreichischen Ableger der Pegida teilnahmen, weil der Imam bei der Freitags-Predigt sie auf die Demo aufmerksam machte. Genau diesen Einsatz brauchen wir – mehr denn je – für den 22. Mai, um später unsere jetzige Konformität nicht bereuen zu müssen.