Momentan gibt es so viele Islam-bezogene Diskussionen, dass man kaum noch hinterherkommt. Eine davon dreht sich – wieder einmal – um die sogenannten „Import-Imame“. Wie so oft werden Vorurteile, Tatsachen und Behauptungen ordentlich vermischt, verkürzt und in willkürliche Beziehungen zueinander gesetzt. Die Kunst des Zwischen-den-Zeilen-Lesens ist unerlässlich, um das verworrene Garn zu entwirren und zwischen Fakt und Fiktion zu unterscheiden.
Imame sollen nicht vom Ausland finanziert, sondern in Deutschland ausgebildet werden. Sie sollen die Grundwerte, genauer „unsere“ Grundwerte, teilen, so die Forderungen des CSU-Generalsekretärs Andreas Scheuer.
Verständliches Bedürfnis: Imame aus dem „Ausland“
Zuerst einmal ist es nicht falsch oder abwegig, sich im „Ausland“ nach theologisch geschultem Personal umzusehen. Die muslimische Gemeinde hat Bedürfnisse, sie muss kompetent betreut und geleitet werden. Die naheliegendste Möglichkeit ist – wie voraussehbar! –, sich der Ressourcen in den ursprünglichen Heimatländern zu bedienen. Alternativlosigkeit muss eben nicht immer erfinderisch machen.
Zudem: Kann in Zeiten der Globalisierung überhaupt noch vom „Ausland“ gesprochen werden? Angesichts des europaweiten, ja weltweiten Austauschs von Fachkräften und Wissen wirkt die Angst mancher Politiker vor aus dem Ausland kommender Imame recht antiquiert.
Die Muslime haben jedenfalls kein Problem damit, dass ihre Imame nicht alle aus Deutschland kommen. Wichtig ist, dass sie ihre Aufgabe gut erledigen. Deshalb haben sich die muslimischen Gemeinschaften seit jeher selbst um die Aus- und Fortbildung ihrer Imame gekümmert, auch wenn vieles sicherlich mehr an Qualität gewinnen und den Bedürfnissen der unterschiedlichen Gemeinden besser angepasst werden muss. Der Verband islamische Kulturzentren (VIKZ) und die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) besitzen in Deutschland eigene Einrichtungen, angefangen bei Seminaren bis hin zu Berufsschulen für Imame. In Frankfurt und Berlin gibt es private Imam-Seminare. Die jungen Imam-Anwärter werden zum Studium gerne in die Türkei, nach Kairo oder etwa ins französische Château-Chinon geschickt. Praktika und Probezeiten erleichtern den Einstieg ins die Arbeit des Imams.
Das alles gab es schon, als die teilweise konfliktträchtige Etablierung islam-theologischer Zentren an mehreren Universitäten angestoßen wurde. Deren primäre Aufgabe ist es jedoch nicht, Imame auszubilden. Die universitären Angebote können alleine nicht die nötigen Kompetenzen vermitteln, die ein Imam haben muss. Sie können – und sollten – lediglich den akademischen Teil der Ausbildung gewährleisten.
Hohe Maßstäbe der Moscheegemeinden
Als Imam nach Deutschland zu kommen, ist nicht einfach. Die muslimischen Organisationen haben Ausschreibungen, Auswahlverfahren und Vorbereitungskurse, die wie bei der IGMG oder VIKZ in Eigenregie organisiert werden oder im Fall der DITIB-Imame eine Zeit lang gemeinsam von der Universität Osnabrück und der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) durchgeführt wurden. Diese Maßnahmen dienen nicht nur der Wissensvermittlung über die Bunderepublik und ihre Muslime, sondern auch dem Ausschluss ungeeigneter Kandidaten. Dazu sind sie laut Selbstbestimmungsrecht befugt, ohne dass der Staat sich einmischt. Allein die Religionsgemeinschaften können festlegen, wer in den Gemeinden mit welcher Qualifikation welche Ämter ausübt und wer nicht, ohne hier überhaupt das Präventions-Argument zu bemühen.
Die in Deutschland tätigen Imame werden auch wieder zurückgeschickt oder nicht mehr eingesetzt, wenn sie nicht erfolgreich sind. Die Maßstäbe der hiesigen Moscheegemeinden sind immer höher geworden. Es reicht nicht, dass ein Imam schön aus dem Koran rezitieren und predigen kann, er muss Seelsorger, Koordinator, Netzwerker, Berater und Erzieher sein und am besten auch in Kontakt mit religiösen und zivilen Akteuren stehen. Die Sprachkenntnisse dafür erwirbt er in Deutschkursen, deren Besuch von einzelnen Gemeinschaften – so die IGMG –finanziell gefördert wird.
Purer Populismus
Genau das ist es, wenn die Imamausbildung, für die sich der deutsche Staat Jahre lang nicht interessiert hat, nun zum Politikum Nummer 1 gemacht wird. Es passt eben gerade so gut. Überhaupt. Ist es nicht paradox, wenn Imame der Einflussnahme ausländischer Staaten entzogen werden sollen, um unter die Kontrolle des deutschen Staates gestellt zu werden? Oder wie soll man die Forderung Scheuers nach einer Deutschpflicht für Imame und der Kultivierung (!) eines deutschen Islams verstehen?
Bevor man ein Einreiseverbot verlangt, gäbe es etliche andere Möglichkeiten, etwaige Missstände zu beseitigen. Denn die Entsendung der Imame aus dem Ausland basiert auf zwischenstaatlichen Verträgen. Die Imame werden Deutschland nicht aufgezwungen. Die Vereinbarungen könnten erneut verhandelt werden, die Dauer des Aufenthalts könnte verlängert werden, es könnten Förderprogramme aufgesetzt werden.
Die Muslime, insbesondere die islamischen Religionsgemeinschaften, werden nicht so kurzsichtig sein, um sich auf das perfide Populismus-Spiel einzulassen. Denn eines ist klar: Sie werden niemals die Forderung nach dem perfekten deutschen Wunsch-Imam erfüllen können, genauso wie es niemals den perfekten deutschen Wunsch-Islam geben wird. Denn darum geht es gar nicht. Es ist offensichtlich, dass hier versucht wird, mit dem Ruf nach einem für deutsche Verhältnisse unnötigen Islamgesetz, der Schließung von islamischen Kindergärten oder dem Verbot von „Import-Imamen“ – kurzer Blick nach Österreich – den Rechten die Argumente wegzunehmen. Leider werden diese nicht richtig, wenn sie für die „richtige Sache“ eingesetzt werden. Nein, sie werden umso gefährlicher.