Während die Süddeutsche heute, den 27.02. meldet „Syrien – Waffenruhe wird weitgehend eingehalten“ startete der IS eine Offensive gegen die Region um Gire Sipi, Tell Abyad.
Am 26.02.16 gegen 23:00 drangen Einheiten des IS in vier Angriffswellen auf Gire Sipi vor, zwei Angriffswellen kamen aus Richtung Rakka und zwei weitere aus der Türkei. Während der IS der von Süden kam, bei Eyn Îsa und Silûk zuschlugen konnte der IS über die türkische Grenze das Stadtzentrum der multikulturellen Stadt Gire Spi und Dörfer an der Grenze direkt angreifen. Im Moment finden nach Angaben der Volksverteidigungseinheiten von YPG/YPJ an 15 verschiedenen Punkten schwere Gefechte statt. Unter den im Stadtzentrum von Gire Sipi vom IS angegriffenen Gebäuden befindet sich das Watanî Krankenhaus.
Gleichzeitig griff der IS bei Kobanê das Dorf Til-Ebir von Cerablus aus mit Raketen an. Schon vor der Waffenruhe hatte Davutoglu deutlich gemacht, dass die Waffenruhe nicht für Kräfte gelte „welche die Türkei bedrohen“, insofern wurde auch am 24.02. wieder Dörfer bei Afrin von der Türkei bombardiert. Die Selbstverwaltung in Rojava und ihre Verteidigungskräfte von der Türkei mittlerweile offen als „Terrororganisation“ bezeichnet werden und türkische Staatsmedien feiern mittlerweile offen die „Siege“ von rechtsextremen turkmenischen Milizen über „PYD-Terroristen“. Die Handschrift von IS-Angriffen aus der Türkei ist nichts neues, ein ähnlicher Angriff fand am 25.06.15 ebenfalls zum Teil aus der Türkei heraus auf Kobanê statt. Der IS massakrierte dabei mehr als 200 Männer, Frauen und Kinder. Es ist leider auch nichts neues, dass die Bundesregierung sich nicht zu diesen Angriffen verhält und damit selbst zum Scheitern eines Friedensprozesses in Syrien beiträgt.
Auch Girê Spî ist schon seit seiner Befreiung aus den Händen des IS im Juni 2015 Zielscheibe der Türkei, regelmäßig beschießt die Türkei zivile wie auch Stellungen der YPG in der Stadt und ihrem Umland. Der Autor konnte selbst Zeuge der Folgen dieser Angriffe werden. Es geht darum den neu geschaffenen Korridor zwischen den Kantonen Kobanê und Cizîre zu unterbrechen und damit erneut den Einfluss der Türkei in der Region durch Unterstützung dschihadistischer Gruppen zu stärken. Dies ist im Moment besonders auch in der Region zwischen Afrîn und Kobanê zu beobachten.
Allein in der zweiten Februarwoche wurden nach Angaben von Reuters etwa 2.000 „gemäßigte Oppositionelle“ aus der Türkei schwer bewaffnet in die Region nach Azaz geschickt. Unter diesen befinden sich nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte immer wieder auch türkische Soldaten. So hätten beispielsweise am 15.02.2016 bei Atme über 350 türkische Soldaten mit großen Mengen Material in Richtung Aleppo übertreten. Interessant ist, dass am 14.02. eine Befreiung von Atme durch die SDF angekündigt worden war, was einen präventiven Charakter der türkischen Operation unterstreichen würde. Diese Berichte scheinen sich in ihren Aussagen auf Reuters zu stützen. In Afrîn dringen immer wieder türkische Soldaten über die Grenze vor, stecken Felder und Bäume in Brand, um die Kontrolle über den Grenzstreifen auszubauen.
Die Offensive des IS scheint eine Antwort auf den Erfolg der Demokratischen Kräfte Syriens vor Şeddadê gewesen zu sein. Mit Şeddadê wurde einem der letzten Zentren des IS direkt an den Grenzen der Selbstverwaltung ein entscheidender Schlag, vor allem gegen dessen Ökonomie und Infrastruktur verpasst. Bei Şeddadê handelt es sich um ein ökonomisches Zentrum für die Produktion von Erdöl, das nach Angaben von der Nachrichtenagentur Hawar über den von der PDK kontrollierten Bereich in Südkurdistan bisher in die Türkei geschmuggelt wurde, und eine wichtige Verbindung zwischen Mûsil und Rakka, der Hauptstadt des IS mit dem der IS einen Teil seiner Bewaffnung aus der Türkei finanziere. Weiterhin befindet sich in der Stadt die größte Gasproduktionsstätte ganz Syriens. Şeddadê spielte eine große Rolle bei der Vorbereitung des Angriffs auf Kobanê an dem in Mûsîl erbeutetes amerikanisches Kriegsgerät durch den IS konzentriert wurde. Mit der Befreiung von Şeddadê wären die Grenzen des Kantons Cizîrê in Richtung Deir ez-Zor gesichert. Insbesondere die Großstadt Hesekê ist durch den bisher erfolgreichen Verlauf der Befreiung von mehr als 48 Ortschaften weitgehend gesichert. Deir ez-Zor ist zwischen Regime und IS umkämpft. Der Weg des IS zwischen Mûsil und Deir ez-Zor ist mittlerweile schon erobert und auch der Kreis um die Hauptstadt des IS, Rakka, schließt sich allmählich.