Die Afghanen nennen den" (IS) "Daesh". Dabei handelt es sich um die arabische Abkürzung für den selbsternannten "Islamischen Staat in Irak und Syrien". Eine spontan befragte Gruppe von Männern in der Altstadt von Kabul ist sich sicher: "Ja, natürlich ist Daesh in Afghanistan und hat Soldaten und entführte Zivilisten enthauptet."
Hat die Terrorgruppe in Afghanistan Fuß gefasst? Präsident Ashraf Ghani beantwortet die Frage mit Ja. "Die Welt muss verstehen, dass der 'Islamische Staat' und seine Verbündeten auch für unsere Region eine furchtbare Bedrohung sind. Sie suchen nach neuen Operationsfeldern. Wir sind ein Frontstaat."
Für Rohullah Amin vom Institut für Afghanistan-Studien in Kabul ist der Fall weniger eindeutig. "Was in Afghanistan als IS wahrgenommen wird, ist die gleiche Hand, die in einem anderen Ärmel steckt. Es handelt sich um die gleichen Leute und um die gleiche Ideologie. Es gibt keinen Beweis dafür, dass es einen physischen Kontakt zwischen der irakischen IS-Führung und Afghanistan gibt."
Es handele sich um eine politische Umbenennung, von der eine Menge Leute profitierten, so der Experte. "Unsere Regierung ist an Friedensprojekten mit Pakistan und Saudi-Arabien interessiert. Da passt die IS-Geschichte gut rein", ergänzt Amin.
Ghani braucht Pakistan und Saudi-Arabien
Pakistan und Saudi-Arabien sind die größten Unterstützer der afghanischen Taliban-Bewegung des untergetauchten Mullah Omar. Vor allem das Nachbarland Pakistan übt direkten Einfluss aus. Afghanistans Präsident Ghani versucht, über diese beiden Länder Friedensgespräche mit den Islamisten anzustoßen.
Wollen sich die möglichen Verhandlungspartner durch die ständigen Verweise auf den IS reinwaschen? Sollen die Taliban reingewaschen werden? Ghani will außerdem, dass die US-Truppen länger im Land bleiben. Das Terrorsynonym IS alias Daesh garantiert internationale Aufmerksamkeit.
Die Parlamentsabgeordnete Razia Sadat Mangal aus der umkämpften ostafghanischen Provinz Paktia zuckt mit den Schultern. "Alle sagen, dass Daesh jetzt da ist. Unsere Regierung ist wie ein Drachen mit sieben Köpfen. Die Leute in meiner Provinz fühlen sich im Stich gelassen. Sie spüren nichts von der Regierung in Kabul, die um die Macht streitet. Die Menschen in Paktia können sich nicht alleine gegen die Taliban oder Daesh verteidigen. Das sind alles Taliban, nur in anderen Uniformen."
Die Parlamentsabgeordnete Razia Sadat Mangal galerieDie Parlamentsabgeordnete Razia Sadat Mangal engagiert sich gegen die Islamisten.
Es sind vor allem weggebrochene Splittergruppen der pakistanischen Taliban-Bewegung, die sich zum selbsternannten Islamischen Staat bekennen. Nur eine dieser Splittergruppen, die sogenannte Khorasan-Shura, wurde von der IS-Führung im Irak anerkannt.
Anerkennung für IS wächst
Die afghanischen Taliban sind offiziell nach wie vor mit Al Kaida verbündet, doch auch hier gibt es in der Bewegung Risse und Anerkennung für den IS. Als weiteres Element kommen Islamisten aus Ländern wie Usbekistan und Tschetschenien dazu, die in Afghanistan kämpfen und sich vom IS-Terror inspirieren lassen. Für die afghanischen Terroropfer spielt es keine Rolle, wer sie ermordet.