Im Namen Gottes, des Begnadenden, des Gnädigen
„Und diejenigen, die Überfluss und beachtliches Vermögen besitzen, sollen nicht schwören, sie würden den Verwandten, den Bedürftigen und denen, die auf dem Weg Gottes ausgewandert sind, nichts zukommen lassen.“ (Heiliger Qur’an 24:22)
Die Flüchtlingskrise gilt als größte Herausforderung unserer Gesellschaft in der jüngeren Geschichte. Hunderttausende Menschen, die zu einem Großteil aus den Kriegsgebieten des Nahen und Mittleren Ostens, so wie dem afrikanischen Kontinent fliehen, suchen Zuflucht bei uns. In ihrer Heimat und während ihrer Flucht erlitten sie Widrigkeiten, die hierzulande nur aus den Erzählungen der ältesten Generation bekannt sind.
Über die Themenfelder Erstversorgung, psychologische Hilfe, Sprachkurse, Wohnraumschaffung und Integration disputieren viele gesellschaftliche Akteur/-innen, mit verschiedensten Blickwinkeln und Standpunkten. Eine Schlüsselposition nehmen dabei die Religionsgemeinschaften ein.
Flüchtlingshilfe als religiöse Verpflichtung und Religion als Flüchtlingsstütze
Die drei größten Religionen in Deutschland – Christentum, Islam und Judentum – teilen das ethische Gebot der Nächstenliebe als hohes moralisches Gut. Dies gilt unabhängig von der Herkunft oder den Bekenntnissen der Hilfebedürftigen: Der Prophet Muhammad, Friede sei mit ihm, war bekannt für das Umsorgen seiner nichtmuslimischen Nachbarn in schwierigen Zeiten – ungeachtet dessen, ob diese sich ihm feindlich gesonnen zeigten oder nicht. Dieses hocherhabene Vorbild steht beispielhaft für die Ideallehre aller drei abrahamitischen Religionen.
Die Religionsgemeinschaften schöpfen ihren Antrieb zur Flüchtlingshilfe aus dieser Ethik, im Unterschied zu anderen Akteur/-innen, die in erster Linie wirtschaftliche oder politische Beweggründe anführen. Damit sind Erstere eher befähigt, die gelebte Flüchtlingshilfe zu leiten – sowohl in Fragen der direkten Hilfe, der Integration in die Gesellschaft, als auch im Hinblick der jüngsten Debatten über Spannungen des Miteinanders.
Umgekehrt stammen die Geflüchteten aus Gesellschaften, in denen die Religion eine wichtige Rolle einnimmt. Die meisten Geflüchteten sind selbst religiös, viele von ihnen sind muslimischen oder christlichen Glaubens. Davon ist ein nicht unerheblicher Teil, geschätzt etwa 100.000, dem schiitischen Islam zu zuordnen. Daher sind in Deutschland beheimatete Religionsanhänger/-innen zudem ideell gewillt, Geflüchteten zu helfen, sie zu beraten und anzuleiten, zu motivieren und sie in diese für sie unbekannte Umgebung einzuführen. Dazu gehört auch die Vermittlung einer realistischen Zukunftsvorstellung und des Integrationswillens, insbesondere im Spracherwerb. Und dies ist schon heute Tatsache: Ohne die abertausenden Ehrenamtlichen aus den Religionsgemeinschaften wäre eine Flüchtlingshilfe gleich welcher Art unvorstellbar.
Die Religionsgemeinschaften indes sind dank ihrer gewachsenen Strukturen in der Lage, die Helfer aus ihren Reihen in Zusammenarbeit mit den Behörden zu koordinieren und zu vermitteln. Den Geflüchteten bieten die Religionsgemeinschaften den spirituellen Halt, an dessen Mangel eine aktiv angestrebte Integration nicht selten scheitert. Nicht zuletzt auch aufgrund der wachsenden Zahlen der schiitischen Geflüchteten ist es ein Ziel der IGS, den neuen Herausforderungen als Mittler/-innen und Haltgebende in größerem Umfang entgegenzutreten und sie anzunehmen.
Religionsgemeinschaften als Mittler und Aufklärer
Die aktuellen Debatten um Spannungen zwischen Geflüchteten und Gesellschaft zeigen den großen Aufklärungsbedarf auf allen Seiten. Sowohl die Heimatvertriebenen als auch Teile der aufnehmenden Gesellschaft tragen viele Missverständnisse und Vorbehalte in sich, die ein Zusammenleben behindern. Den Religionsgemeinschaften kommt hierbei die wichtige Rolle der Mittler zu, da sie sowohl aufklärend und sachlich erörternd an den Debatten teilzunehmen haben, als sich auch unmissverständlich gegen Hetze und Aufwiegelung positionieren zu haben. Dieses Ziel der gesellschaftlichen Aussöhnung ist Teil der Flüchtlingshilfe.
Die Rolle der Religionsgemeinschaften ist nicht auf die Herausforderungen nach der Ankunft der Schutzsuchenden beschränkt: Es ist ihre Pflicht, gegen die Fluchtursachen Stellung zu beziehen. Insbesondere gehört es zum ethischen Gebot, die Unterstützung der Kriegstreiber im Nahen und Mittleren Osten und auf dem afrikanischen Kontinent, zu verurteilen. Unser Ziel ist es, weiterhin auf die Bundesregierung einzuwirken, damit diese entsprechende Maßnahmen einstellt, wie zum Beispiel die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und anderen Staaten im Nahen Osten.
„Unterdrückt nicht und lasst euch nicht unterdrücken.“ (Heiliger Qur’an 2:279)
source : ABNA
Mittwoch
16 März 2016
09:11:17
741419
Positionspapier der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands e.Vzur Rolle der Religionsgemeinschaften in der Flüchtlingshilfe