Bei den Landtagswahlen in drei deutschen Bundesländern hat die Alternative für Deutschland (AfD) stark zugelegt. Die CDU von Kanzlerin Angela Merkel erlebte in Baden-Württemberg ein Debakel und verlor auch in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. In allen drei Ländern dürften die amtierenden Ministerpräsidenten im Amt bleiben. Die CDU schloss jede Kooperation mit der AfD aus.
In Baden-Württemberg wurden die Grünen unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann erstmals in ihrer Geschichte stärkste Partei in einem Bundesland. Merkels CDU verlor dort rund zwölf Prozentpunkte und landete in ihrem Stammland nur noch auf Platz zwei.
In Rheinland-Pfalz konnten sich die Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Malu Dreyer als stärkste Partei behaupten. In Sachsen-Anhalt blieb die CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff trotz Stimmenverlusten klar vorne. Die erst 2013 gegründete AfD wurde in Sachsen-Anhalt mit weit über 20 Prozent zweitstärkste Partei. Auch in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz kam sie auf zweistellige Ergebnisse.
Die Wahlen galten als ein Stimmungstest für Merkel mitten in der Flüchtlingskrise. Angesichts der umstrittenen Öffnung der Grenzen für Schutzsuchende im vorigen Herbst war mit Verlusten für die Christdemokraten gerechnet worden. Der bayrischen Ministerpräsident und Chef der CDU-Schwesterpartei CSU Horst Seehofer hat den Ausgang der Landtagswahlen als existenzielle Herausforderung für die Unionsparteien bezeichnet. "Das ist eine Frage, die an die Substanz der Union geht - und zwar von CDU und CSU", sagte Seehofer Montagfrüh vor einer CSU-Präsidiumssitzung in München.
Die deutsche Regierung sieht unterdessen weiter keinen Anlass für einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik. "Die Bundesregierung verfolgt ihren flüchtlingspolitischen Kurs weiterhin mit aller Kraft im In-und Ausland", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Manches sei dabei schon erreicht, vieles bleibe noch zu tun. "Das Ziel jedenfalls muss eine gemeinsame, eine nachhaltige europäische Lösung sein, die in allen Mitgliedsländern dazu führt, dass sich die Flüchtlingszahlen spürbar verringern." Innenpolitisch stehe die Regierung dazu, den Menschen, die in Deutschland Schutz gesucht und Aufnahme gefunden hätten, "den Weg zur Integration zu ebnen", betonte Seibert.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der freiheitliche EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky haben unterdessen der AfD und ihrer Parteichefin Frauke Petry zum Wahlerfolg in Deutschland gratuliert. "Der mutige, patriotische Kurs der AfD wurde bei den Wahlen massiv gestärkt", erklärte Strache am Montag in einer Aussendung. "Der Politik zum Wohle der eigenen Bürger, wie sie die AfD in Deutschland und die FPÖ in Österreich betreiben, gehört ganz eindeutig die Zukunft", meinte der FPÖ-Chef. Der EU-Abgeordnete Vilimsky interpretierte den Wahlerfolg als Belohnung für die Entschlossenheit der AfD, "für Freiheit und Demokratie sowie für den Erhalt der staatlichen Souveränität gegenüber dem EU-Moloch zu kämpfen".
Zu den Wahlverlierern zählten am Sonntag auch die auf Bundesebene mitregierenden Sozialdemokraten sowie die Grünen. In Baden-Württemberg verlor die mit Kretschmann verbündete SPD weit mehr Stimmen als die Grünen gewannen. In Sachsen-Anhalt, wo sie Juniorpartner der Christdemokraten ist, wurde die SPD nur viertstärkste Partei.
Die Grünen schnitten außerhalb von Baden-Württemberg ebenfalls schwach ab. In Rheinland-Pfalz, wo sie Regierungspartei sind, lagen sie nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde. Die in den vergangenen Jahren in ganz Deutschland schwächelnden Liberalen (FDP) schafften den Einzug in die beiden westdeutschen Parlamente. In Sachsen-Anhalt lagen sie nahe an der Fünf-Prozent-Hürde.
Kretschmann zeigte sich am Abend in Siegerlaune. "Das Ergebnis ist hervorragend, furios, die Baden-Württemberger haben noch einmal Geschichte geschrieben", sagte der grüne Landesvater und erhob Anspruch auf die Regierungsbildung. Dreyer sagte, sie wolle nun Gespräche mit Grünen und FDP führen. Auch Haseloff bekräftigte den Anspruch auf Führung der Landesregierung. "Wir werden in Sachsen-Anhalt eine stabile Regierung der Mitte bilden", sagte er.
Die AfD ist nach Angaben ihrer Co-Vorsitzenden Frauke Petry auf die Arbeit in der Opposition vorbereitet. "Wir haben uns bereits lange vor diesem Wahlkampf darauf eingerichtet, in der Opposition zu arbeiten", sagte Petry am Sonntagabend in der ARD nach den Erfolgen ihrer Partei bei drei Landtagswahlen. "Das ist für eine junge politische Kraft auch ganz normal, dass man in der Opposition beginnt. Auch da kann man Dinge bewegen."
In Baden-Württemberg wurden die Grünen nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis stärkste Kraft. Sie kamen nach dem am Sonntagabend in Stuttgart verkündeten Ergebnis auf 30,3 Prozent der Stimmen und lagen damit klar vor der CDU mit 27,0 Prozent.
Drittstärkste Kraft wurde die AfD mit 15,1 Prozent. Sie lag damit vor der SPD mit 12,7 Prozent und der FDP mit 8,3 Prozent.
Im neuen Landtag gibt es 143 Sitze. Davon entfallen 47 auf die Grünen und 42 auf die CDU. Die AfD stellt 23 Abgeordnete, die SPD 19 und die FDP zwölf. Damit sind eine grün-schwarze Koalition sowie eine Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP und knapp ein sogenanntes Deutschland-Bündnis aus CDU, SPD und FDP möglich.
In Rheinland-Pfalz wurde die SPD von Ministerpräsidentin Malu Dreyer nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis mit 36,2 Prozent stärkste Kraft. Auf dem zweiten Platz liegt die CDU mit 31,8 Prozent. Drittstärkste Kraft im Mainzer Landtag wird die AfD mit 12,6 Prozent.
Die Grünen verlieren deutlich, schaffen mit 5,3 Prozent der Stimmen aber erneut den Einzug in das Landesparlament. Die FDP kommt den offiziellen Zahlen zufolge auf 6,2 Prozent und ist damit wieder im rheinland-pfälzischen Landtag vertreten.
Eine Fortführung des bisherigen Regierungsbündnisses aus SPD und Grünen ist nicht mehr möglich. Die Sozialdemokraten kommen auf 39 Sitze, die CDU auf 35. Die AfD schickt 14 Abgeordnete in den Landtag, die FDP sieben und die Grünen sechs. Rechnerisch möglich sind demnach eine Große Koalition aus SPD und CDU sowie ein Bündnis der SPD mit Grünen und FDP.
Dreyer wollte sich am Wahlabend noch nicht zu künftigen Koalitionspartnern äußern. "Ich strebe heute gar nichts an, sondern heute werde ich feiern", sagte sie auf die Frage, welches Bündnis sie anstrebe. FDP-Chef Christian Lindner sagte, seine Partei sei zur Regierungsverantwortung bereit, mache dies aber von inhaltlichen Positionen abhängig.
Die rechtspopulistische AfD erzielte in Sachsen-Anhalt mit knapp 25 Prozent der Stimmen am Sonntag ihr bisher stärkstes Ergebnis bei Landtagswahlen. Die Union wurde zwar wieder stärkste Kraft, braucht aber neben der SPD auch die Grünen als weiteren Partner.
Nach dem kurz nach Mitternacht veröffentlichten vorläufigen Endergebnis kommt die CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff auf 29,8 Prozent nach 32,5 Prozent 2011. Die Linkspartei verlor auf 16,3 (2011: 23,7) Prozent und ist damit nicht mehr zweitstärkste Kraft im Lande. Dies ist nun die AfD, die aus dem Stand auf 24,2 Prozent der Stimmen kam. Die SPD halbierte sich praktisch und fiel auf 10,6 (21,5) Prozent zurück. Die Grünen schafften mit 5,2 (7,1) Prozent knapp den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde, den die FDP mit 4,9 (3,8) Prozent hauchdünn verpasste.
Damit erhält die CDU 30 Sitze. Die AfD zieht mit 24 Abgeordneten in den Landtag ein, die Linkspartei stellt 17 Parlamentarier. Die SPD erhält nur noch elf Mandate, die Grünen bekommen fünf Sitze. Die Wahlbeteiligung stieg auf 61,1 Prozent nach 51,2 Prozent 2011.
Die CDU schließt indes auch nach den Landtagswahl-Erfolgen der AfD jegliche Kooperation mit der rechtspopulistischen Partei aus. "Wenn man sich die Inhalte anschaut, kann es keine Zusammenarbeit zwischen Union und AfD geben", sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber am Montag im ZDF.
Die AfD nehme in Kauf, dass viele ihrer Funktionäre "ganz am rechten Rand" zu Hause seien und eine entsprechende Sprache pflegten, so Tauber. "Das C in unserem Namen setzt eine klare Grenze nach rechts", betonte Tauber. Vorstand und Präsidium hätten sich klar positioniert, dass es keine Kooperation mit der AfD geben könne. Der CDU-Generalsekretär reagierte damit auf einen Tweet des sächsischen CDU-Landtagsabgeordneten Sebastian Fischer, der darin einen generellen Ausschluss von Koalitionsoptionen mit AfD kritisiert hatte.
Die Kritik der CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach, dass die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel in den vergangenen Monaten ohne Einverständnis des Bundestages "wie in einer Diktatur" betrieben worden sei, wies Tauber zurück. Es habe kein Thema gegeben, das im Bundestag in den vergangenen Wochen so intensiv diskutiert worden sei, wie dieses. Dass das Thema Sorgen und Ängste auslöse, sei legitim und müsse ernst genommen werden. Dass in einer solchen Lage Protestparteien Zulauf erhielten, sei nicht neu. Aber Hektik und Panik helfe nicht weiter.
Tauber sieht trotz des Wahlergebnisses keine Alternative zum Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise. "Angesichts dessen, was wir schon erreicht haben, rate ich uns, auf diesem Weg weiter fortzufahren", sagte er dem Sender n-tv. Personelle Konsequenzen nach den Landtagswahlen schloss er aus: "Die CDU gewinnt zusammen und wir verlieren zusammen."
Die CDU hatte bei den Landtagswahlen am Sonntag ihr Ziel verfehlt, in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz stärkste Kraft zu werden. In Sachsen-Anhalt blieb sie trotz leichter Verluste stärkste Partei. Die rechtspopulistische AfD schaffte in allen drei Bundesländern zweistellige Ergebnisse. In Sachsen-Anhalt erzielte sie mit mehr als 24 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis überhaupt.