AhlolBayt News Agency (ABNA)

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Sonntag

6 März 2016

04:57:17
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Wie Deutsche Kinder und Jugendliche Fanatiker, Salafisten und Terroristen werden

Erst vor kurzem schockierte die Tat der 15-jährigen Safia S., die einem Polizisten ein Messer in den Hals rammte, ganz Deutschland.

Erst vor kurzem schockierte die Tat der 15-jährigen Safia S., die einem Polizisten ein Messer in den Hals rammte, ganz Deutschland. Die Tat soll das Ergebnis einer schlechenden Radikalisierung, die das Mädchen zur religiösen Fanatikerin machte, sein. Und nicht nur sie macht solche eine gefährliche Entwicklung durch: Immer mehr Islamisten reisen nach Syrien und in den Irak aus, um sich dort dem IS oder anderen terroristischen Gruppierungen anzuschließen.

"Violence Prevention Network"
Aus diesem Grund sprach Bild.de mit dem Experten Thomas Mücke. Er ist Politologe, Pädagoge sowie Mitbegründer und Geschäftsführer des Vereins "Violence Prevention Network" ("Gewaltpräventions-Netzwerk"). Sein Verein kümmert sich um gefährdete junge Menschen und setzt sich gegen jede Art von Extremismus ein. Auch Menschen, die bereits in eine extremistische Szene abgerutscht sind, werden betreut.

Zurzeit werden 130 junge Menschen vom "Violence Prevention Network" betreut, die gefährdet sind, zu terroristischen Vereinigungen abzurutschen. Thomas Mücke erklärte im Gespräch mit Bild.de, warum sich Jugendliche radikalen Islamisten anschließen, wie der Radikalisierungsprozess aussieht und auch, wie er sich aufhalten lässt.

 



Gründe
"Es gibt leider kein eindeutiges Bild, keinen eindeutigen Radikalisierungs-Verlauf", erklärte Mücke. "Unter ihnen sind Lehrer- genauso wie Arbeiter-Kinder, Kinder aus intakten genauso wie aus zerrütteten Familien, mit und ohne Migrationshintergrund", man könne die Betroffenen also keiner bestimmten sozialen Gruppe zuordnen.

Doch es gebe eine wichtige Gemeinsamkeit: "Es sind junge Menschen, die Krisen durchleben und Orientierung suchen", sagte der Experte zu Bild.de. Genau diesen Faktor könnten Extremisten zu ihrem Vorteil nutzen:

Die Ideologie biete ein einfaches Weltbild, sodass in der Szene Halt und Geborgenheit auf die Jugendlichen warte. Das Gefühl, im Besitz der einzig wahren Wahrheit zu sein und auf der Seite der "Guten" zu stehen werde den Betroffenen vermittelt. Außerdem gälten in der Szene klare Regeln. Heldenhafte Geschichten über die Kämpfer beflügeln die jungen Menschen. Auch Abenteuerlust, Naivität oder eine Protesthaltung gegen die Eltern kommen bei der Radikalisierung zum Einsatz, um bei den Betroffenen den Wunsch zu erwecken, ebensfall ins Kriegsgebiet zu ziehen.

Besonderheit
Eine interessante Entwicklung konnte Mücke feststellen: Vor allem Frauen zwischen 20 und 30 Jahren seien bereit, sich den Islamisten anzuschließen. Sie würden sich beim IS einen höheren Status oder mehr Ansehen erwarten - als Ehefrau eines Kämpfers oder als Witwe eines Märtyrers. Doch diese Hoffnungen würden nur selten erfüllt.

"Häufig sind dies Frauen, die in ihrem Leben keine positiven Erfahrungen mit ihren eigenen Entscheidungen gemacht haben", erklärte der Experte.

 



Radikalisierung
Die Radikalisierung sei laut Mücke ein schleichender Prozess, der beim ersten Kontakt beginne. Vor allem Gleichaltrige wie Mitschüler, Bekannte oder Kontakte in sozialen Netzwerken würden die Jugendlichen ansprechen. "Die Szene ist überall präsent, nicht nur in der Moschee", sagte Mücke.

Einladungen als erster Schritt: Die Extremisten hätten laut Mücke ein Auge für Schwache und seien an weiterer Rekrutierung interessiert. Nach einem ersten "Komm doch mal mit!" folge sehr schnell "Das hier tut dir doch gut - also verbreite es weiter!" Schritt Nummer zwei: Gehirnwäsche. Sobald man in der Szene angelangt sei, würde die Ideologie immer wiederholt und eingetrichtert - sogar aufgezwungen. Dies würde so lange dauern, bis man keine Fragen mehr stellt. Feindbilder: Auch Feindbilder würden im Radikalisierungsprozess eine große Rolle spielen: Die anderen, die Gesellschaft oder die Feinde des Islam.

Warnzeichen
Laut Mücke sei es schwierig, Warnzeichen schnell zu erkennen, da die Anhänger geschult werden, nicht aufzufallen. Jedoch sollte man immer Vorsicht walten lassen, wenn sich jemand plötzlich stark verändere. Warnzeichen könnten etwa sein, wen jemand Kontakte abbreche oder die Ansicht verbreite, dass Muslime überall verfolgt werden.

Bei Sorgen um Mitmenschen sollte man sich dringend bei professionellen Stellen wie zum Beispiel Beratungsstellen zur Radikalisierung Unterstützung holen.

 



Weg zurück
Mücke betonte im Gespräch mit Bild.de, dass die Radikalisierung keine Einbahnstraße sei. Es gebe einen Weg zurück, der jedoch für keinen der Beteiligten leicht sei.

"Aus der Szene auszusteigen ist nicht einfach. Es dauert, bis man wieder eine eigene Perspektive entwickelt hat. Dabei brauchen die Betroffenen Hilfe", sagte der Experte. Für Angehörige sei es wichtig daran zu denken, dass Kommunikation besser ist als Schweigen und Unterstützung mehr bewirken kann als Konfrontation.

"Wichtig ist, dass man die Situation nicht eskalieren lässt, sondern immer eine offene Hand anbietet", denn das Ziel der Extremisten sei es, ihre Anhänger von der Familie zu entfremden, um sie noch stärker an die Szene zu binden.

"Religiöse Analphabeten"
Wichtig für den Weg raus aus dem Extremismus sei das eigene Denken. Sobald man wieder damit anfange, Dinge zu hinterfragen, würde man sich auch Gedanken machen über die menschenverachtende Ideologie der Terroristen.

Außerdem seien theologische Diskussionen hilfreich für den Weg zurück: "Auch wenn es seltsam klingt: Die Mitglieder der islamistischen Szene sind häufig religiöse Analphabeten", erklärte Mücke. Sie würden weder den Islam noch den Koran kennen, sondern nur das, was sie von Hass-Predigern eingebläut bekommen hätten.