In den letzten Wochen sorgte die vom Bundesminister für Integration Sebastian Kurz in Auftrag gegebene Vorstudie zu muslimischen Kindergärten und Kindergruppen in Wien für Aufregung. Durchgeführt wird die Studie unter der Leitung des Institutsvorstands der Islamischen Studien der Universität Wien, Ednan Aslan. Aus der veröffentlichen Zwischenbilanz, die sich nur auf ein paar Kindergärten beruht, werden jedoch bereits Schlüsse gezogen und auf alle islamischen Kindergärten übertragen. Einer der Vorwürfe lautet, dass die Kindergartenkinder fernab von der österreichischen Gesellschaft erzogen werden und dass ihnen religiöse Erziehung aufgezwungen wird.
Hierbei geht es nicht nur um den Inhalt des Zwischenberichts, sondern auch um die Art und Weise wie das Thema gehandhabt wird. Was gibt es natürlicheres als christliche Werte in christlichen Kindergärten, jüdische Werte in jüdischen Kindergärten und islamische Werte in islamischen Kindergärten? Alleine die Beschreibung „islamische Kindergärten“ oder die ganzen Titel („Kindergärten im Visier“, „Probleme in islamischen Kindergärten“, „Islam-Kindergärten schließen“) rund um das Thema sind derart negativ konnotiert, sodass gleich alle stigmatisierten Bilder aus den Schubladen rausgeholt werden. Offensichtlich ist die Zuschreibung „islamisch“ in unserer Gesellschaft als etwas Erschwerendes geachtet. Dabei sollten wir doch an einen Punkt gelangt sein, wo wir bewusster mit den Begrifflichkeiten wie „Islam“, „islamisch“ oder „Muslime“ umgehen sollten, weil sie in dem letzten Jahrzehnt eine Unmenge an negativen Assoziationen erfahren haben.
„Österreichische Werte“ versus „islamische Werte“?
In dem vorliegenden Fall wird der Vorwurf gemacht, dass laut Bericht „ein nicht gering zu schätzender Teil“ der islamischen Kindergärten die Kinder nicht auf die die Gesellschaft vorbereite, sondern diese vor den gesellschaftlichen Werten schütze, ja diese durch islamischer Erziehung abblocke. Hier werden keine Zahlen erwähnt, sondern Vermutungen wie „nicht gering zu schätzender Teil“ als „wissenschaftliches“ Faktum geliefert. Hinzu kommt die „islamische Erziehung“ als Indikator, die von gesellschaftlichen Werten ‚beschützen’ soll, dass unmissverständlich die Wertelosigkeit des Islams impliziert und die Erziehung in den Kindergärten als Gegenstück der „gesellschaftlichen Werte“ darstellt. Spricht man jedoch von islamischen Werten, dann sind sie im vornherein schon disqualifiziert.
Wir berichteten bereits über die Diskussion um islamische Kindergärten in Österreich und die Reaktion der Muslime.
Im Zuge der Flüchtlingspolitik wird aktuell des Öfteren von „österreichischen Werte“ gesprochen. Doch was sind „österreichische Werte“? Fragt man 50 Personen, wird man 50 verschiedene Antworten bekommen, weil man Werte nicht holistisch definieren kann. Aber was die gesellschaftlichen Werte nicht sind, das wird mit Gewissheit gesagt: die Werte der „Muslime“.
Zweierlei Maß?
Wie man aus dieser Zwischenbilanz eine mögliche Isolation der Kinder aus der Mehrheitsgesellschaft voraussagen sagen kann, ist ebenfalls fraglich. Dazu wäre eine viel länger andauernde Studie von Nöten. Wenn es um die islamischen Einrichtungen geht, dann wird ihnen so viel Gewicht und Potenzialität beigemessen, dass sie die Kleinkinder in den paar Jahren im Kindergarten von der Gesellschaft abschotten könnten. Da ist es doch irritierend, dass auf der anderen Seite die gescheiterte Integrationspolitik und das Bildungssystem dahingehend kritisiert werden, dass sie in den darauffolgenden neun Pflichtschuljahren den SchülerInnen nichts beitragen können? Oder wird hier wieder mit zweierlei Maß gemessen?
Sieht man die islamische Erziehung als ein Problem, dann wird sie auch als Problem gehandhabt. Das wiederum trägt auf gar keinen Fall zu einer konstruktiven Lösung etwaiger tatsächlicher Mängel bei. Das Versagen der Politik in Sachen Integrationsarbeit müssen nun die islamischen Gemeinschaften und Einrichtungen ausbaden, indem sie denunziert und als Gegenstück unserer Gesellschaft dargestellt werden. So gesehen unterscheidet sich die sogenannte „wissenschaftliche“ Studie, die der Politik zugute kommen soll, nicht geringer von den Hetz- und Spaltkampagne rechter Interessensvertreter.