AhlolBayt News Agency (ABNA)

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Samstag

21 November 2015

20:37:40
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Hamas-Führer gegen israelisch-palästinensischen Waffenstillstand

Wer den Raketenbeschuss Israels im Dezember 2012 schließlich doch beendete, waren keine israelische Kampfpiloten, sondern israelische Unterhändler.

Wer den Raketenbeschuss Israels im Dezember 2012 schließlich doch beendete, waren keine  israelische Kampfpiloten, sondern israelische Unterhändler. Die Hamas gab  eine Waffenruhe bekannt, die  - lässt man eine Rakete außer acht, die im Gazastreifen selbst einschlug, Israel bis Ende Februar völlige Ruhe beschert. Und das obwohl die israelischen Angriffe auf geringerem Niveau andauern: Sechsmal rücken israelische Truppen in den drei Monaten in den Gazastreifen ein, in 73 Fällen attackiert die israelische Marine palästinensische Fischer vor der Küste Gazas. Drei Palästinenser werden getötet, 57 verletzt, während nicht eine Rakete den Gazastreifen verlässt.

Die Statistik vom Jahreswechsel 2012/2013 zeigt nicht nur, was Israel tun müsste, um Raketenangriffe zu fördern. Die Zahlen zeigen auch, wie Israel seine Bevölkerung vor den Angriffen schützen kann: einfach durch ein Ende seiner Angriffe, Verhandlungen mit der Hamas und das Schließen eines Waffenstillstands. (11) „Der effektivste Weg den Beschuss aus Gaza zu unterbinden, ist durch ein Waffenstillstandsabkommen“, schreiben die Macher der Studie des Jerusalem Fund. Ihre Statistik zeigt, dass die Hamas und andere palästinensische Gruppen im Gazastreifen selbst dann bereit sind, ihre Angriffe einzustellen, wenn Israel seine Aggressionen bis zu einem gewissen Maß fortführt.   

Krieg dem Waffenstillstand

Wenn der „Krieg gegen den Raketenterror“ im besten Fall wirkungslos, eher noch kontraproduktiv ist, was ist dann der Grund für Israels Offensiven? „Ein andauernder Waffenstillstand verletzt Israels strategisches Ziel, stärkt die Hamas und verschafft den Eindruck, Israel würde die Bewegung anerkennen“, kommentierte die damalige israelische Außenministerin Tzipi Livni nur wenige Tage vor der „Offensive Gegossenes Blei“ im Jahr 2008. Die Waffenruhe zuvor– so berichtete die israelische Tageszeitung damals – sei nur abgeschlossen worden, weil die Armee noch Zeit zur Kriegsvorbereitung brauchte.

Vier Jahre später musste die Zeitung wieder über einen Kriegsgrund spekulieren. Die Ermordung des Hamas-Unterhändlers Ahmad al-Jabari, der unter anderem den Gefangenenaustausch Gilad Shalits eingefädelt hatte, war es, die 2012 den Startpunkt zur „Operation Wolkensäule“ setzte.  Unter der Überschrift „Warum hat Israel Jabari getötet?“ schrieb dieHaaretz damals: „Wenige Stunden bevor er ermordet wurde, erhielt er einen Entwurf für einen dauerhaften Waffenstillstand mit Israel, und er wollte ihn offenbar unterstützen.“ (12) Armee-Führung und Ministerpräsident seien der Meinung gewesen „ein Waffenstillstandsabkommen schade Israels Abschreckungskraft....“ Der amerikanische Nahost-Professor John Mearsheimer ist der Meinung: Das entscheidende Ziel des Krieges sei es gewesen „die Palästinenser zur Aufgabe ihres Strebens nach Selbstbestimmung zu bewegen.“ (13)

Erstmals hatte die Hamas explizit anerkannt, was EU, USA und Israel seit Jahren forderten

Kombiniert man beides – Krieg zur Schwächung der Hamas und palästinensischer Unabhängigkeitsbestrebungen – landet man beim 8. Juli dieses Jahres, dem Beginn er „Operation Protective Edge“. Auch hier war die Eskalation in den Wochen zuvor keine Reaktion auf Raketenbeschuss. Auch die Entführung und anschließende Ermordung dreier israelischer Jugendlicher spielte wohl keine Rolle. (14) Der wahrscheinliche Auslöser liegt knapp zwei Wochen zuvor. Am 1. Juni stellten Hamas und Fatah ihre neue Einheitsregierung vor. Diese sollte nicht nur den seit sieben Jahren andauernden „Palästinensischen Bruderkrieg“ beilegen, sondern auch noch eine bisher nie dagewesene Perspektive zur Beendigung des Nahostkonflikts bieten.

Die ausschließlich mit parteiunabhängigen Technokraten statt Parteileuten besetzte Regierung verkündete, was es mit expliziter Billigung der Hamas bisher noch nicht gegeben hatte: Sie werde Israel anerkennen, der Gewalt abschwören und alle bisherigen zwischen Israel und der PLO gemachten Abkommen (inklusive dem Bekenntnis zur Zweistaatenlösung) anerkennen. Die Reaktion des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu war hingegen kein Novum:  
Er brach die Friedensgespräche mit der PLO ab. Konnte er in den Jahren zuvor, stets darauf verweisen, dass PLO-Chef Mahmud Abbas aufgrund des Zerwürfnisses mit der Hamas sowieso nicht für alle Palästinenser sprechen könne, lehnte er nun Friedensgespräche mit der gegenteiligen Begründung ab: "Abu Mazen (Abbas) hätte den Frieden mit Israel wählen können, stattdessen wählte er Frieden mit einer mörderischen Terrororganisation.“

Netanjahu macht die einmalige Chance zur immer gleichen Gefahr


Der Druck diesen und damit den echten Frieden, der für Israel mit unbequemen Kompromissen verbunden sein würde, zu verhindern, stieg für Netanjahu, als EU und USA die neue Regierung anerkannten. Schließlich waren sie es, die sich 2007 die drei Forderungen (Gewaltlosigkeit, Anerkennung Israels und bisheriger Verhandlungen) ausgedacht hatten und auf deren Basis, die demokratisch gewählte und von der Hamas dominierten Einheitsregierung nicht anerkannt. Mit massiven Luftangriffen begann Netanjahu seine Krieg gegen den Frieden. Wie bei den Gaza-Offensiven der letzten Jahre reagiert die Hamas auf den Raketenbeschuss Israels. Moralischer macht dieser Satzbau den Umstand auch nicht, aber zumindest richtiger.

Und der Waffenstillstand? Israel habe einem ägyptischen Angebot zugestimmt, die Hamas habe es abgelehnt, las man überall in dieser Woche. Doch in Wahrheit war das Angebot wohl nie an die Hamas gerichtet. Nur aus den Medien habe man davon erfahren, beschwerten sich die Al-Qassam-Brigaden auf ihrer Website. „Wenn die Hamas den Waffenstillstand ablehnt, haben wir die internationale Legitimation, die nötige Ruhe wiederherzustellen“, kommentierte Netanjahu, bevor er nach sechs Stunden israelischer Feuerpause die Angriffe wieder aufnahm. (15)

Der richtige Waffenstillstandsvertrag liegt übrigens seit Beginn des Krieges auf dem Tisch. (16) Um genau zu sein liegt er dort schon seit zweieinhalb Jahren und trägt neben der Unterschrift der Hamas auch  jene Israels. Der Preis für ein Ende der Raketenangriffe ist nichts anderes als die Einhaltung des Waffenstillstandsabkommen von 2012. Die Vereinbarung damals wiederum fast identisch mit jenen, zu deren Erfüllung sich Israel schon 2008 folgenlos bereit erklärte: Ein Einstellen der Angriffe und eine Lockerung der Belagerung des Gazastreifens. Hinzu kommt die Freilassung all jener Gefangenen, die eigentlich für Gilad Shalit eingetauscht wurden, zu Hunderten in den vergangenen Wochen aber wieder inhaftiert wurden. Noch hat Israel das Datum neben der Unterschrift nicht erneuert. Stattdessen vermeldet die israelische Armee weiter im Minutentakt via Twitter palästinensische Raketeneinschläge. „Was würdest du tun?“, prangt immer noch die Frage vom Bildschirm, während Raketen über den Eiffelturm fliegen. Eine Antwort hat Nancy Kanwisher schon in ihrer 2008er Studie gegeben: „Wenn Israel den Raketenbeschuss aus Gaza reduzieren will“, solle es für Frieden kämpfen.